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Liebesnaehe

Liebesnaehe

Titel: Liebesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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Hintergrund eine dramatische, verborgene Geschichte, von der niemand etwas ahnt.

    Eine Geschichte? Aber welche Geschichte? Nein, an dieser Stelle führen die Fragen nicht weiter, sie hat noch nicht einmal eine Vermutung, aber immerhin, sie ahnt, dass es eine solche Geschichte gibt, und sie glaubt auch zu wissen, dass unter anderem diese geheime Geschichte der Grund dafür sein könnte, dass sie sich von diesem Mann so angezogen fühlt.

    Als wäre die Kamera heiß gelaufen, zieht sie plötzlich die Hände zurück und wendet sich ab. Sie geht langsam ins Bad und versucht, wieder ruhiger und regelmäßiger zu atmen. Im Bad wirft sie einen Blick in den Spiegel, ihr Gesicht ist stark gerötet, und ihre blonden Haare sehen wirr aus, wie wilde Flechten. Sie kühlt das Gesicht mit kaltem Wasser und geht dann zurück in das Zimmer, sie legt sich mit dem Rücken auf den Bademantel und schließt die Augen: die sonoren, leicht vibrierenden Töne einer japanischen Bambusflöte, ein langsamer Gang, winzige Schritte.

11
    ER SITZT jetzt neben Katharina, und er sitzt genau auf dem gleichen Stuhl, auf dem zuvor noch Jule Danner gesessen hat. Er tut aber so, als hätte er davon nichts mitbekommen, stattdessen erzählt er von dem kleinen Spaziergang, den er unternommen habe, angeblich hat er sich ein wenig verlaufen und deshalb leider mit etwas Verspätung zurück zum Hotel gefunden.

    Katharina fragt zum Glück nicht weiter nach, sie freut sich, dass er sie gerade noch rechtzeitig hier draußen im Freien entdeckt hat, bevor sie wieder zurück in die Buchhandlung muss.
    – Ich habe noch etwas Zeit, sagt sie, bestell Dir etwas zu essen, ich leiste Dir Gesellschaft.

    Er greift nach der Speisekarte, die er längst kennt, er tut so, als überflöge er sie. Als die Bedienung kommt, bestellt er einen Feldsalat mit Steinpilzen und gegrillten Stockfisch mit etwas Gemüse. Er schaut kurz auf, um zu beobachten, wie Katharina darauf reagiert, sie sagt aber nichts, sondern rückt nur ihren Stuhl etwas zurück, um weiter im Sonnenlicht und nicht im heranziehenden und sich langsam breitmachenden Schatten zu sitzen.
    Sie schließt die Augen und genießt die Sonne, dann sagt sie:
    – Ich wette, Du bestellst jetzt ein Bier.
    – Ich bestelle ein großes Helles, wie immer, sagt er und fährt fort: Während meines Spaziergangs ist mir kurz
durch den Kopf gegangen, dass wir beide eigentlich nie etwas anderes zusammen getrunken haben als Bier. Bier! Immer nur Bier! Und dazu gute Würste oder sonst eine kleine Brotzeit!
    – Na so was, sagt sie, über so etwas denkst Du nach?
    – Ja, sagt er, und jetzt, wo wir uns zum ersten Mal nicht in München, sondern hier, auf dieser Insel, begegnen, fällt mir erst so richtig auf, dass wir uns in all den Münchener Jahren fast nie über Privates unterhalten haben.
    – Ah, antwortet sie, das fällt Dir erst jetzt auf? Mir ist das schon immer aufgefallen, dass wir uns nie über Privates, sondern meist über Bücher oder etwas Aktuelles unterhalten haben. Das war von Anfang an so, seit wir uns kennen, und ich habe es respektiert, weil ich das Gefühl hatte, dass Du nichts Privates erzählen willst. In dieser Hinsicht warst Du übrigens so verschwiegen wie kein anderer Mensch, den ich kenne. Bis heute weiß ich beinahe rein gar nichts von Dir, und wir kennen uns jetzt, warte mal, ich rechne nach, wir kennen uns jetzt seit mehr als drei Jahren.
    – Du erinnerst Dich so genau?
    – Ich erinnere mich ganz genau, mein Lieber, ich habe die Bilder des Tages, an dem Du zum ersten Mal meine Buchhandlung betreten hast, noch lebhaft vor Augen.
    – Wirklich? Dann erzähl mal, das interessiert mich.
    – Das interessiert Dich? Na gut, wenn es Dich interessiert: Du kamst am frühen Nachmittag in meinen Laden, ich habe Dich freundlich begrüßt, aber Du hast kaum reagiert, sondern nur sehr leise ein paar undeutliche Wortfetzen gemurmelt. Dann bist Du unglaublich langsam an den Regalen entlanggeschlichen, immer mit dem
Rücken zu mir. Du trugst einen langen, schwarzen Mantel, und Du hast ihn, obwohl es doch in meinem Laden recht warm war, nicht geöffnet oder gar abgelegt. Ab und zu hast Du Dir etwas in ein Notizbuch notiert, aber so, dass ich nicht sehen, sondern höchstens vermuten konnte, dass Du gerade etwas notierst. Du hast Dich abgeschottet in Deinem Mantel und mit Deinen Notizen, Du hast den Eindruck erweckt, niemand dürfte und sollte sich nähern, und das habe ich dann auch nicht getan.
    – Mein Gott, ich muss ein

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