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Liebesnaehe

Liebesnaehe

Titel: Liebesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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und seiner Preisgabe an andere noch keine Erfahrung.
    – Ich schaue mir gerne an, was Du mir zeigst. Und ich könnte Dir bestimmt auch diesen oder jenen Rat geben, sagt er.
    – Gut, antwortet sie, auf dieses Angebot habe ich ein wenig gewartet. Wir beide kennen uns lange und gut,
aber wir kennen uns nun wiederum auch nicht so gut, dass Dir jedes Moment meines Seelenlebens vertraut wäre. Im Grunde bist Du also der ideale Leser meiner Texte. Morgen zeige ich Dir welche, morgen öffne ich mein Geheimkabinett, nur für Dich!
    – Nur für mich?! fragt er noch einmal nach, und Katharina sieht plötzlich, dass sein Gesicht eine leichte Rötung überzieht.
    – Was ist? fragt sie. Ist Dir nicht gut?

    Er schluckt einen Moment, greift nach dem zweiten Glas und leert es in einem Zug.
    – Nur für mich! sagt er, Deine Notizen sind nur für mich reserviert, habe ich recht?
    – Ich sagte ja, ich habe sie noch niemandem sonst gezeigt, antwortet sie etwas unsicher, weil sie nicht weiß, worauf er hinaus will.
    – Also gut, ich verarzte sie, sagt er und lacht.

    Sie schüttelt den Kopf, sie vermutet, dass ihm der Martini nicht gut bekommt, deshalb greift sie nach dem letzten, gefüllten Glas, das noch auf ihrem Tisch steht. Sie will verhindern, dass er auch dieses Glas noch eilig leert.
    – Willst Du nicht doch etwas zu Abend essen? fragt sie.
    – Neinnein, antwortet er, ich habe jetzt weder Zeit noch Lust, etwas zu Abend zu essen. Ich werde hinauf auf mein Zimmer gehen und arbeiten. Ich habe richtig Lust dazu, ja, verdammt, lange hatte ich nicht mehr eine so große Lust, etwas zu schreiben. Nimmst Du mir übel, dass ich Dich jetzt verlasse?

    Sie lächelt, sie hat diesen Satz vor wenigen Stunden schon einmal gehört.
    – Nein, natürlich nicht, antwortet sie. Auch ich habe ja noch zu tun, ich werde mir meine Notizen noch einmal anschauen und einige auswählen, für Deine morgige Lektüre.
    – Fein! sagt er und steht plötzlich auf. Er verabschiedet sich von ihr mit einem Kuss auf die rechte Wange, doch bevor er den Raum verlässt, kommt er noch einmal kurz zu ihr zurück.
    – Katharina! Noch eins! Noch ein Letztes! Was war das, was Du zu Beginn unserer Unterhaltung nicht erzählen wolltest? Kannst Du es mir jetzt sagen? Sollte ich es jetzt nicht doch wissen?

    Sie schaut zu ihm auf, sie überlegt einen Moment, dann aber sagt sie:
    – Jule hat das Gartenhaus am Fichtenwäldchen ebenfalls heute entdeckt. Sie hat es betreten, so wie Du, und sie ist ganz vernarrt in das Haus. Morgen möchte sie es bewohnen, zunächst natürlich nur für einen Tag, denn sie reist übermorgen ab, so wie Du. Ich vermute …, aber ich vermute das nur, hörst Du …, ich vermute, dass sie Dich morgen einladen wird, sie in diesem Haus zu besuchen. Bitte behalte das alles aber für Dich, ich weiß nicht, ob es richtig ist, dass ich Dir das erzähle.
    – Ganz neu ist das nicht für mich, antwortet er.
    – Du wusstest es schon?
    – Sie hat ihren Schal in dem Gartenhaus liegenlassen, antwortet er. Ich habe ihn sofort entdeckt, der Schal hat einen ganz unverwechselbaren Duft, den ich sehr gut
kenne. Mehr sage ich nicht, Du weißt wohl Bescheid, welchen Duft ich jetzt meine.
    – Ich habe eine Ahnung in dieser Richtung, antwortet sie.
    – Noch eine allerletzte Frage, sagt er. Wer hat ihr erlaubt, das Haus zu bewohnen? Wem gehört dieses Haus?
    – Na gut, antwortet sie, dann sage ich Dir auch das noch. Ich habe das Haus vor Kurzem gemietet, es ist vorerst mein Haus.

    Er schaut sie etwas fassungslos an, nein, das wusste er nicht, da ist sie sicher. Er antwortet aber nicht mehr auf diese allerletzte Erklärung, sondern wendet sich um, dem Ausgang der Hotelbar entgegen.

    Sie schaut ihm nach, wie er schwungvoll und eilig davongeht. Nun gut, denkt sie, dann arbeiten wir drei eben, jeder für sich. Zum Glück haben wir viel zu tun, und zum Glück hat jeder eine eigene, sehr schöne Beschäftigung, und zum Glück haben wir alle drei große Lust, diese Arbeit zu tun.

    Dann leert sie ihr Glas und macht sich auf den Weg in ihre Buchhandlung. Ich habe das Haus für die Kinder gemietet, denkt sie, das Gartenhaus ist für die Kinder bestimmt.

3
Die Liebesnähe
    »im Garten ein Summen«
    (Kitagawa Utamaro)

28
    ER WACHT auf und erschrickt ein wenig, als er bemerkt, wie hell es draußen bereits ist. Das Sonnenlicht presst sich durch die Ritzen der Vorhänge, als wäre der Tag schon weit fortgeschritten. Er greift hastig nach der Uhr und ist etwas beruhigter,

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