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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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einem verschwundenen Mann. Also – was sollte ich denken? Was hättest du gedacht?«
    Ella zuckte die Achseln. Der Fall wurde immer komplizierter. »Keine Ahnung. Beruhigend, dass du noch nicht verschwunden bist.«
    Rogers Gesichtszüge hellten sich auf, und Ella fand ihn in dem diffusen Tageslicht besonders anziehend. Komisch, dachte sie, gerade hat er mir noch Angst eingejagt. Habe ich irgendwelche seltsamen Neigungen, die mir bisher verborgen waren?
    »Das müsste doch mich beruhigen«, er lächelte. »Schließlich bin ich hier in Gefahr und nicht du.«
    »Ach?« Ella sah ihn an und hatte plötzlich unbändige Lust auf ihn. »Wäre schade …« Ellas Blick glitt über seinen Körper. Schon seltsam, dachte sie erneut, vor wenigen Tagen kannte ich ihn überhaupt noch nicht, und jetzt wirbelt er mein Leben durcheinander. In jeder Hinsicht.
    Roger schenkte ihr ein wissendes Lächeln. »Sind wir wieder in einem Boot?«
    »In einem Boot?«
    »Ja, rudern wir wieder gemeinsam in eine Richtung?«
    Ella zuckte die Achseln. So genau wusste sie das noch nicht, und das eine hatte mit dem anderen nichts zu tun.
    »Also gut, okay!« Roger ging zu den Bildern an der Wand. »Wollen wir jetzt mal nach unseren Vermissten schauen?« Er deutete auf einen Stapel abseits der anderen Bilder. »Fangen wir dort an!«
    »Und wenn Inger plötzlich zur Tür hereinkommt?«
    »Dann hat sie hoffentlich einen von beiden dabei.«
    Ella versuchte sich das vorzustellen, ließ es aber lieber.
    Roger begann, ein Bild nach dem anderen umzuklappen. Sommerbilder, Landschaftsbilder, offensichtlich vor dem Haus gemalt, dann junge Mädchengesichter, glücklich nach einem Tanz, leicht erhitzt, sommersprossig und sonnenverbrannt. »Schön«, sagte Roger. »Sind schon mindestens fünf dabei, die ich gerne kaufen würde.«
    »Du stehst auf schwedische Mädchen. Nicht wahr?«
    »Nein, eher auf deutsche Mädchen. Solche mit einem Hang fürs Abenteuer.«
    Ella verzog den Mund. Dazu gehörte sie nicht wirklich. Sie war eher eine, die gern alles geordnet und in ruhigen Bahnen wusste. Aber davon war jetzt natürlich nichts zu spüren, das war ihr klar.
    »Und du?«
    »Ich stehe auf liebeshungrige Italiener«, sagte sie, und als sie seinen Blick sah, musste sie lachen. »Na, zur Not tut es auch ein Franzose!«
    »Komm du mir nach Hause«, murmelte er. »A casa!«
    »Aber das war jetzt eindeutig italienisch!« Sie fasste ihm lachend ins Haar – dann sah sie ihn! Und wieder durchfuhr es sie wie ein Blitzschlag. Alle Härchen stellten sich auf, sie spürte ihr Blut pochen und hatte gleichzeitig Angst, ihr Herz könnte stehen bleiben. Diesmal war es sein nackter Oberkörper.
    Roger drehte sich zu ihr um. Ihm genügte ein Blick. »Das ist er, stimmt’s?«
    »Ja, das ist er!«
    Es war, als wäre er zum Leben erwacht, als würde er ihr leibhaftig gegenüberstehen, sie anschauen, sein wissendes Lächeln, die herausfordernden Augen, seine schmale, aber durchtrainierte Gestalt, seine kräftigen Brustmuskeln, ein Langstreckenläufer, ein Mensch, der lange durchhielt und der ihr jetzt ins Gesicht sagte: »Hi, Ella, hier bin ich. Was nun?«
    Sie schluckte. Und spürte in sich etwas, das herauswollte. Wie ein Schrei, ein unkontrollierbares Aufbegehren, das sie schließlich nicht mehr verhindern konnte. »Moritz!« , sagte sie.
    Es war kurz still.
    »Da war sie wieder«, erklärte Roger völlig sachlich.
    »Wer?« Ella versuchte gerade, ihre Beherrschung wiederzufinden.
    »Die andere Stimme.«
    »Die … was?« Sie konnte die Augen nicht von dem Bild lassen. Da war er. Wo war er??
    »Die tiefere Stimme, mit der du schon heute Nacht gesprochen hast.«
    »Hör auf«, sagte sie, »du machst mir Angst.«
    »Ist es nicht vielmehr so, dass du mir Angst machst?«
    Er fasste nach Ellas Nacken, aber Ella schüttelte seine Hand ab und sprang auf. »Entschuldige«, presste sie heraus, ging hektisch auf und ab und versuchte sich zu beruhigen.
    »Ein Schulfreund«, sagte Roger leise, während er sie beobachtete. »Nur ein Schulfreund.«
    Ella zog das Bild aus dem Stapel und lehnte es mit seiner Vorderseite gegen ein freies Stück Wand.
    »Gibt es da noch mehr?«
    »Wir werden sehen.«
    Roger blätterte weiter, und es folgten Moritz-Bilder in allen Posen.
    »Er war ein gutes Aktmodell«, sagte Roger irgendwann anerkennend. »Kein Gramm Fett, durchtrainiert, sehr gut erhalten, dabei dürfte der Bursche doch auch schon über dreißig sein.«
    »Was heißt das schon.« Ella war es übel.

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