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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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im Entferntesten daran denke, hier einen Abgang zu machen. Weder im Hellen noch im Dunkeln.«
    Sie warf ihm einen verständnislosen Blick zu. »Ein klassisches Missverständnis. Ich habe nicht von dir gesprochen.«
    »Hast du doch!«
    »Aber ich habe nicht dich gemeint!«
    »Frauen meinen nie, was sie sagen.«
    »Das stimmt nun wieder gar nicht!«
    »In Frankreich schon.«
    »In Deutschland nicht!«
    »Ach so!«
    Sie mussten beide lachen, und Ella spürte, wie ihr leichter ums Herz wurde.
    »Lass uns lieber gehen!« Ella nahm ihn bei der Hand, und sie gingen den schmalen Weg weiter, um die Felsen herum.
    »Bei dem Wetter könnten wir uns eigentlich einen heißen Tee gönnen«, sagte Roger gerade, als Ella erschrocken seine Finger presste und stehen blieb. Vor ihnen war wie aus dem Nichts Inger aufgetaucht. Auch sie blieb stehen.
    »Hej«, grüßte sie freundlich. »Wolltet ihr zu mir?« Dann erst schien sie Ella zu erkennen. »Ach, du bist es. Hast du einen Freund mitgebracht?«
    Ella nickte. Im Moment fehlten ihr die Worte.
    »Hi«, sagte Roger. »Ich bin Roger. Ja, sie hat mir so von Ihnen vorgeschwärmt, da wollte ich Sie unbedingt kennenlernen.«
    Inger lächelte ihm zu. »Da hat Sie das Unwetter ja wohl voll erwischt?« Ihre Augen suchten seine Kleidung nach Regenspuren ab.
    »Wir haben auf der Rückseite Ihres Hauses Schutz gesucht«, sagte er beiläufig.
    Inger überlegte.
    »Das Gemälde ist noch nicht fertig«, sagte sie schließlich.
    »Das habe ich auch nicht erwartet.« Ella musste schlucken. Sie befürchtete, dass Inger ihr genau ansah, dass etwas nicht stimmte. »Eigentlich müssten Sie sich selbst malen«, sagte Roger da.
    »Wie?« Inger hatte sich noch nicht von der Stelle gerührt.
    »Ja, wie Sie jetzt so dastehen, in diesem diffusen Licht. Mit dem wehenden Umhang, den offenen Haaren und Ihren unergründlichen Augen. Es hat etwas Unwirkliches, könnte ein märchenhaftes Bild werden. Sehr faszinierend!«
    Inger sagte nichts.
    »Er hat recht.« Ella riss sich zusammen. »Sie sind wirklich eine Erscheinung!«
    »Vielleicht bin ich ja auch eine!« Ingers Lächeln war hintersinnig. »So nah an den Klippen kann einiges passieren. Es soll hier schon Erscheinungen gegeben haben, darum heißt das Stück Land hier auch Klippe der Nebelfrauen .«
    Roger nickte. »Wie passend! Dann gab es doch sicherlich schon Fälle, die diesem Land seinen Namen gegeben haben?«
    »In früheren Zeiten sollen die Klippen zum Todesstoß gedient haben. Eine Art Hinrichtungsstätte.«
    »Brrr«, machte Ella. »Wie gruselig!«
    »Und gibt es nachts hier Geister?«, wollte Roger wissen.
    »Nur die, die ich kenne.«
    »Hört auf«, fuhr Ella dazwischen. »Es wird ja immer schlimmer.«
    »Geister sind nicht schlimm«, klärte Inger sie auf und kam einige Schritte näher. »Geister sind immer mit uns. Bei uns. Sie sind frei. Man spürt sie. Aber man sieht sie nicht.«
    Ella starrte sie an.
    »Mach ich dir Angst?« Inger war noch näher gekommen, jetzt trennten sie nur noch zwei Schritte. Ja, tatsächlich, sie machte Ella Angst. Sie rechnete sich aus, wie viele Meter hinter ihr die Tiefe lag. Ein kräftiger Stoß würde wahrscheinlich ausreichen.
    »Ihre Theorie ist sehr spannend«, erklärte Roger. »Könnten wir das Gespräch nicht bei einer Tasse Tee weiterführen? Wir sind ziemlich durchgefroren.«
    »Sie kommen mir zuvor. Ich wollte Sie gerade einladen.« Inger ging seelenruhig an ihnen vorbei, und Ella zwang sich, nicht tief Luft zu holen.
    »Wir haben aber leider kein Gastgeschenk«, erklärte Roger. »Das ist mir ein bisschen peinlich.«
    Inger lächelte ihm zu, und Ella spürte plötzlich einen Stich.
    War sie eifersüchtig?
    »Kommt einfach mit!« Inger machte eine einladende Geste in Richtung Haus. »Alle beide.«
    Inger öffnete die Tür mit einem Schulterdrücken, ganz genauso, wie es Roger zuvor gemacht hatte. Schon erstaunlich, dachte Ella, irgendwie wirkten sie wie ein altes eingespieltes Ehepaar. Aber das konnte ja nicht sein, hatten sie dieselben Geister? Bei dem Gedanken musste sie lächeln. War sie mit einem Esoteriker zusammen?
    Inger zeigte einladend zum Küchentisch.
    »Wunderschöne Wiesenblumen«, lobte Roger den Strauß auf dem Tisch. Was für ein Schauspieler, dachte Ella und sagte dann: »Und die Vase …?« Das hatte sie tatsächlich vorhin schon interessiert.
    Inger zwirbelte ihr langes Haar zusammen, was nichts nützte, weil es sofort wieder auseinanderfiel. »Ja«, sagte sie gedehnt, »die ist Ihnen

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