Liebesschloesser
Besser ich denke nicht weiter darüber nach, denn er wird mit Sicherheit gleich aufstehen.
Die Matratze neben mir bewegt sich. Er setzt sich hin. Ich starre seinen Rücken an. Und wieder ist meine Hand schneller als mein Verstand. Ich fahre seine Wirbelsäule entlang, spüre die einzelnen Wirbel nach. Für einen Moment habe ich das Gefühl, dass er sich gegen meine Hand lehnt, dann erhebt er sich hastig. Noah dreht sich um und schaut mich an. Er hat so unglaublich dunkle Augen. Sie glänzen samtig, fast wie Zartbitterschokolade. Ich kann seinen Blick nicht deuten, aber ich habe das Gefühl darin zu versinken. Das ist so erbärmlich!
„Ich gehe duschen“, sagt er leise. Seine Stimme klingt, als würde er auf etwas warten, fast als erwarte er eine Antwort von mir. Verwundert sehe ich ihn an. Bilde ich es mir nur ein oder steht er tatsächlich ein wenig verloren vor mir? Ich sage nichts und nicke nur. Enttäuschung macht sich in mir breit, als er den Kopf abwendet und zur Badtür geht. Die Stimmung heute ist anders als sonst, da liegt so viel Spannung in der Luft, aber vermutlich deute ich das alles falsch, weil ich nicht will, dass es zu Ende geht und es doch heute beenden werde.
Ich beobachte ihn, wie er durch den Raum geht. Er bewegt sich geschmeidig, fast wie eine Katze. Muskelstränge zeichnen sich deutlich ab, dabei ist er so schmal. Wenn ich neben ihm stehe, komme ich mir wie ein Schrank vor. Wir sind nahezu gleich groß. Ich mag große Männer. Große Kerle, die gern passiv sind. Ich bin es nicht besonders gern. Nicht, weil es mir nicht gefällt, sondern weil es mir schwerfällt, die Kontrolle an jemand anderen abzugeben. Dafür brauche ich mehr als ein paar Sexdates. Dafür brauche ich echtes Vertrauen. Es gab bisher nur wenige Männer, bei denen ich wirklich passiv sein wollte. Vielleicht wäre Noah einer davon, wenn … Ich verbiete mir, diesen Gedanken zu Ende zu denken.
Mit einer viel zu großen Geste reißt er die Badezimmertür auf und verharrt einen Moment.
„Bis gleich!“, ruft er mir zu. Da ist er schon wieder … dieser Blick …
Die Tür fällt mit einem lauten Knall ins Schloss.
Versonnen greife ich nach den schwarzen Bändern, die neben mir auf dem Bett liegen. Ich streiche darüber, kann die leichte Feuchtigkeit fühlen. Er hat geschwitzt … natürlich hat er das. Ich konnte sehen, wie die Schweißtropfen seinen Rücken entlanggelaufen sind, während sich mein Schwanz unerbittlich in seinen Körper schob.
„Härter“, hat er gekeucht, „Mach schon, Moritz ...“ Also habe ich ihm gegeben, was er brauchte. Sein Stöhnen hat mich noch zusätzlich angeheizt. Ihn so wehrlos vor mir zu sehen, hat mich fast um den Verstand gebracht. Das klatschende Geräusch, wenn meine Hand auf seinen Hintern traf … sein Keuchen ...
Wieso haben sich nur all diese verdammten Einzelheiten in mein Gedächtnis gebrannt? Ich will das nicht. Er soll aus meinem Gehirn verschwinden. Aus meinem Gehirn, aus meinem Herzen und auch sonst … wir haben doch hier nichts weiter als unverbindlichen Sex!
Es ist nur Sex!
Nur Sex!
Wie ein Mantra wiederhole ich es immer wieder. Aber es nützt nichts, mich selbst zu belügen, denn er ist schon viel mehr. Ich investiere Gefühle. Ich will ihn … ich will ihn küssen, seine Nähe, Umarmungen … ich will neben ihm einschlafen … will Exklusivität … Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass er gleich verschwinden wird, dass es noch andere Typen gibt, mit denen er fickt. Ich will nicht unruhig darauf warten, dass er sich meldet oder dass wir uns hier zufällig wiedertreffen. Ich benehme mich wie eine verdammte Pussy!
Genau aus diesem Grund habe ich mich für diese Art von Sex entschieden. Unverbindliches Cruisen … es gibt so viele Möglichkeiten, so viele Foren und Chats, in denen man sich verabreden kann und genau weiß, dass der andere die eigenen Erwartungen teilt.
Meine letzte Beziehung war eine Katastrophe … Ich habe genug davon, auf jemanden zu warten, Blicke zu deuten, auf Zeichen zu achten und dann doch allein zu sein.
Noah und ich … wir werden uns nicht mehr sehen. Wenn er aus der Dusche kommt, werde ich ihm sagen, dass es kein nächstes Treffen geben wird. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist … Verdammt ich bin nicht nur erbärmlich, ich bin auch noch bescheuert!
Mein Magen fühlt sich an, als wäre eine ganze Fuhre Steine darin abgeladen worden. Mir ist schlecht. Für eine Sekunde ziehe ich es sogar in Betracht, mich schnell
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