Liebessklavin
gehen, um ihre Grenzen und Tabus zu erfahren? Wie weit würde sie gehen? Er hatte ihr einen Einblick in seine Welt, ihre Welt gegeben, denn seit dieser Nacht im Haus der Lady Sevilla war etwas mit ihr geschehen. Eigentlich schon vorher.
Erica rief sich die Erinnerung an das Gespräch im Separee zurück.
Ich bin es, der dich über die Klippe stößt und der, der dich auffängt, wenn du fällst
. Ihre Zustimmung zu dem Spiel, zu ihm, zu allem, was sie erwartete, war ein Befreiungsschlag ihrer Seele, als sei eine Barriere gefallen, die sie bis dato nicht zu erkennen vermocht hatte.
Natürlich war die Eröffnung schockierend gewesen. Ständig hörte man von
Perversen
, die sich bis aufs Blut quälen und peitschen ließen. Männer und Frauen, die andere zu devoten Sklaven erzogen und es genossen, sie zu demütigen, ob verbal oder mit Gewalt. Doch was wusste die Gesellschaft der
Normalen
davon?
Da waren die Zärtlichkeiten, der Trost und der Halt, den Simon ihr gab, egal, wohin er sie führte. Da war diese gebieterische Dominanz, die souveräne Ausstrahlung, die sie vom ersten Moment in den Bann gezogen hatte. Da wartete ein Abenteuer, das sie - und nur sie - wie er versprochen hatte, jederzeit beenden konnte. Das Einverständnis, sich führen zu lassen, jemandem die Kontrolle zu geben, wie konnte das als
unmoralisch
angesehen werden? Es hatte Zeiten gegeben, in denen es Gesetz war. Männer hatten das Recht, ihre Frauen zu züchtigen, sie waren Herr und Gebieter im Haus und die Frau hatte sich unter Zwang zu fügen. Heute war es freiwillige Unterwerfung der Lust willen. Sie lächelte bei dieser Überlegung und ihre Bedenken lösten sich in Luft auf.
Pünktlich klingelte es an ihrer Wohnungstür. Simon trug einen dunkelblauen, perfekt sitzenden Anzug und hielt eine rote Rose in seiner Hand.
Erica wusste nicht recht, welche Begrüßung er für angemessen hielt. Hatte das Spiel schon begonnen?
Er schien zu spüren, dass ihre Unsicherheit wuchs, trat durch den Türrahmen und küsste zärtlich ihre Lippen, ihre Wange und ihre Stirn. Simon hielt ihr Gesicht in seiner Hand und betrachtete sie aufmerksam.
Nervös kaute sie an ihrer Unterlippe.
„Dir liegt eine Frage auf der Seele?“
Erica nickte, knetete ihre Hände, die Simon ergriff, um sie zu beruhigen. „Ich weiß nicht, was heute auf mich wartet, daher war ich nicht sicher, ob ich das Halsband und die Manschetten benötige?“ Warum brachte dieser Mann sie so aus der Fassung, kaum dass er in ihrer Nähe war? Erica verfluchte sich selbst.
„Du siehst wunderbar aus und nein, du wirst meine Geschenke heute Nacht nicht brauchen, meine Schöne.“ Simon nahm den schwarzen Kurzmantel von ihrem Sessel und half ihr zuvorkommend, ihn überzuziehen. Er griff nach ihrer Hand, hob sie zu seinem Mund und flüsterte. „Entspann dich mein Schatz, du wirst die Nacht genießen, versprochen.“
Sie atmete tief durch.
George, der Fahrer, erwartete sie bereits, und als er den Wagen auf die Straße lenkte, senkten sich Simons Lippen auf Ericas Fingerspitzen. Er sah aus dem Fenster. „Wie fühlst du dich, Erica?“
„Gut, nervös, gespannt, ich weiß nicht. Unsicher?“
Die restliche Fahrt verlief schweigend. Wider Erwarten hielt George nicht vor DiLuccas Restaurant, sondern bei einem anderen gediegenen Speiselokal mit auserwählter Küche.
Der Abend verlief anders, als Erica gedacht hatte. Kein Wort über das Spiel, keine Monologe über SM, nichts. Während des Drei-Gänge-Menüs sprachen sie über Gott und die Welt, Arbeit, Vergangenheit, Gegenwart. Sie scherzten und genossen die wunderbare Atmosphäre wie zwei frisch Verliebte bei einem Date.
Nach dem Dinner spazierten sie zu einer kleinen Galerie, die eine Sammlung erotischer Malereien ausstellte. Simon legte nicht einmal den Arm um sie, doch seine Nähe wirkte wie ein wärmender Mantel. Ericas Anspannung fiel von ihr ab. Sie vergaß, warum sie so nervös diesem Abend mit Simon entgegengefiebert hatte, ihre Unsicherheit war wie weggefegt und jeglicher Gedanke an das Spiel war in den Hintergrund getreten.
Sie spürte, wie Simon es genoss, dass sie sich gelöst und selbstsicher präsentierte. Hin und wieder hielt Erica inne, versuchte, hinter dieses geheimnisvolle, warme Schmunzeln auf seinem Gesicht zu kommen.
Der Weg führte sie entlang des Flussufers zu einer Aussichtsplattform, von der man einen atemberaubenden Blick auf die beleuchtete Metropole der Stadt erhielt. Erica lehnte ihren Kopf seufzend an seine Schulter
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