Liebesvisitation (German Edition)
Christian. Sie haben Ralf festgenommen, weil er in meine Wohnung eingebrochen war. Aber ich hol ihn da nicht raus.“
„Aber er wollte doch bloß nett sein.“
Sie wandte sich nun direkt an Christian: „Glaubst du nicht, dass Dummheit es auch ab und zu verdient abgestraft zu werden?“
„Naja, aber doch nicht mit dem Gefängnis.“
„Ich klär das Missverständnis ja auch. Aber nicht heute. Morgen. Eine Nacht darf er ruhig im Kittchen verbringen. Das wird im durchaus gut tun. Da hat er mal richtig Zeit zum Nachdenken.“
„Ich geh gleich zu ihm. Soll ich ihm irgendetwas von dir ausrichten?“
„Ja, das hier.“ Anna haute Christian eine in die Fresse, gab ihm eine Ohrfeige und trat ihm in den Bauch. „Kannst du dir das merken?“, fragte sie anschließend.
„Ja“, keuchte Christian.
Ralf hatte die letzten 24 Stunden in einer Zelle verbracht. Sie war nicht sonderlich geräumig, und es gab nicht viel Möglichkeit Unordnung zu machen.
Ein merkwürdiger Gedanke war ihm gekommen, nämlich dass er möglicherweise hier saß, weil er eine fremde Wohnung betreten hatte, ohne dass man ihm dies explizit erlaubt hatte. Aber warum klärte Anna das Missverständnis nicht auf?
Oder war es gar kein Missverständnis? Vielleicht wollte Anna ihn ja gar nicht in ihrer Wohnung haben. Naja. Er brauchte dringend einen Quadratkaffee.
Der Wärter hatte ihm Essen gebracht. Es war irgendein Mampf. Der Wärter sagte: Es wäre Mampf und noch irgendwas Undefinierbares.
„Besuchen wir Ralf im Gefängnis? Hach, ich finde Beamte in ihren Uniformen immer so sexy. Wenn sie mit ihren Knüppeln rumlaufen.“ Markus saß am Frühstückstisch und ließ sich von Thomas bedienen. Nachdem er gestern für ihn gekocht hatte, konnte er sich das erlauben. Auch wenn es nicht geschmeckt hatte.
„Also, als die Polizei Ralf holen wollte, ist er sicher zur Salzsäure erstarrt.“
„Das heißt: Zur Salzsäule erstarrt.“
„Ach so? Naja, jedenfalls find ich das unheimlich romantisch, in eine fremde Wohnung einzubrechen, um dort aufzuräumen.“
„Machst du Witze?“
„Das ist sooo romantisch.“
Sie hielten ihr tägliches Treffen heute im Knast ab. Christian war da. Genauso Frank und Susanne.
Anna kam spät und war sehr kühl und distanziert. Sie machte keine Anstalten, Ralf da rauszuholen und sah ihn kaum an.
„Christian, du bist schon hier?“, wunderte sich Susanne. „Hast du nichts Besseres zu tun. Wo ist deine Freundin?“
„Welche Freundin?“, fragte Christian irritiert.
„Welche Freundin? Oder ‚ welche‘ Freundin?“, wollte Susanne wissen.
„Also Anna...was ist jetzt?“, fragte Thomas schließlich. „Holst du Ralf jetzt da raus, oder soll er noch unselbstständiger werden, indem ihm jetzt auch das Essen zubereitet und gebracht wird.“
Anna atmete einmal tief durch. „Ich hol ihn raus.“
„Darf ich ihn auch rausholen?“, fragte Markus leger.
Anna ging zum zuständigen Beamten und klärte das Missverständnis, das eigentlich kein Missverständnis war, auf.
Als sie wieder draußen waren, wollte Ralf zu Anna gehen, um sie zu umarmen. Aber sie wandte sich ab und ging weiter. Ralf blieb verwundert und desillusioniert stehen. Hatte er was falsch gemacht?
Man, Ralf hatte wirklich einen an der Waffel. Zum Glück war er nicht so ein Trottel. Andererseits: Wusste ein Trottel überhaupt, dass er ein Trottel war? Wahrscheinlich war ein Trottel zu dumm, um zu erfassen, dass er ein Trottel war. Aber es gab doch einen universalen Maßstab, oder? Für Maßstäbe war Gott da. Wobei: Besonders anmaßend war Gott noch nie gewesen, dachte sich Albert.
Wie auch immer: Er kam mit Judith nicht weiter.
Sie könnte ihm doch auch ein bisschen entgegenkommen, oder? Schließlich war sie die Pragmatikerin...Oh nein nein nein , überkam es ihn. Er benahm sich schon wie Ralf. War es nicht so, dass Judith ständig versuchte, ihn aus der Reserve zu locken? Ständig und laufend – zwei gegenteilige Begriffe – stehen und laufen, und doch bedeuteten sie dasselbe. Genau wie ‚ unter wegs‘ und ‚ auf dem Weg‘. Verdammt Albert, kannst du nicht mal bei der Sache bleiben? Du bist doch schon du selbst. Jetzt sei doch mal Albert+1. Judith kam ihm doch schon entgegen, nur rauskommen, das musste er selber. Dazu konnte sie ihn nicht zwingen. Es wäre jedenfalls das Gegenteil von Liebe.
Jetzt war er an der Reihe. Er musste was tun. Er musste Judith den Hof machen. Er wollte Judith den Hinterhof und den
Weitere Kostenlose Bücher