Liebesvisitation (German Edition)
sie meine Freundin ist?“
„So lange du sie magst, Frank, macht mich das glücklich. Ich hoffe ihr werdet zusammen alt.“
Frank zuckte zusammen bei dieser Vorstellung.
„Was ist jetzt eigentlich aus deiner Amerikareise geworden, Susanne?“, wollte Judith wissen.
„Die ist vorerst aufgehoben.“
„Vorerst aufgehoben, oder vorerst aufgeschoben?“, hackte Judith nach. „Wenn sie vorerst aufgehoben ist, heißt das, dass sie aufgeschoben ist. Denn die Aufhebung ist ja nur vorerst. Und was ist aus deinem Roman geworden?“, wollte Judith von Thomas wissen.
„Welcher Roman?“, fragte Thomas.
„Okay. Das hat sich auch erledigt“, hackte Judith ab.
„Ich bin jetzt mehr auf Musik“, rechtfertigte sich Thomas.
„So?“
„Ja, das ist befriedigender.“
„Wieso?“
„Naja: Die Kapitel eines Buches, sind wie die Lieder eines Musikalbums. Jedes Lied ein Kapitel. Nur, dass ein Lied für sich stehen kann. Da hat man bei jedem fertigen Song ein Befriedigungserlebnis. Das Kapitel eines Buches kann aber nicht alleine stehen. Es ist aus dem Zusammenhang gerissen. Die Befriedigung kommt nur einmal, nach Fertigstellung des Romans.“
„Tja, dann lass mal hören“, ermutigte Judith ihn.
„Quatsch. Man kann Lieder von Freunden doch gar nicht befreit hören, weil man jedes Mal meint, dass man sie gut finden muss.“
„Ich verspreche dir, dass ich es scheiße finden werde, wenn ich es nicht mag“, versicherte Christian.
„So nun auch nicht“, mäkelte Thomas. „Man kann ja etwas auch gut finden, ohne es zu mögen. Für viele ist aber alles schlecht, was ihnen nicht zusagt. Das ist sehr intolerant."
„Was soll das heißen?“
„Naja, ich bin beispielsweise kein Fan von Jazz, aber trotzdem respektiere ich ihn. Ich kann ihn stehen lassen, auch wenn ich ihn privat nicht höre. Und ich weiß, dass es guten Jazz gibt, auch wenn ich ihn nicht mag. Etwas nicht zu mögen, heißt ja nicht automatisch, es schlecht zu finden.“
„In Ordnung“, lenkte Christian ein. „Wenn ich es nicht mag, aber nicht hasse, werde ich es weiterempfehlen.“
„Das höre ich gerne“, freute sich Thomas. Er zog seinen mp3-player aus der Tasche und steckte sich die Ohrenstöpsel in die Ohren. „Ich muss erstmal vorhören .“ Dann griff er zu seiner Wasserflasche und trank einen Schluck.
„Bist du verrückt?!!“, schrie Markus. „Du darfst doch nicht trinken während du Kopfhörer aufhast! Da kannst du einen Stromschlag kriegen!!“
Thomas riss erschrocken die Ohrenstöpsel aus den Ohren, ehe er Markus’ Grinsen sah.
„Du hast es mir tatsächlich geglaubt“, freute sich Markus.
„Du bist so ein blöder Idiot. Aber das klingt auch so verrückt plausibel, dass man es im ersten Moment tatsächlich glauben kann.“
„Mancher auch im zweiten“, freute sich Markus, der auch den fiesen Trick entwickelt hatte, seine Finger unter der Wasserleitung zu befeuchten, um dann unter lautem „Hatschi“-Ruf, seinem Opfer Wasser in den Nacken zu schnippen.
Nun bildete Thomas mit den Händen einen Trichter und stellte den mp3-Player auf volle Lautstärke. „Ich spiele euch mal ein Lied vor, das ich demletzt gemacht habe.“
„Dieses Wort gibt es nicht Thomas“, verbesserte Markus.
„Wirklich?“
„Ja. Genauso wie das andere Wort, das du erfunden hast: ‚ nirgendwann ‘. Aber lass dich nicht unterbrechen.“
Thomas war einen Moment aus der Fassung gebracht. „Äh, ja. Ein Lied, das ich dem…letztens gemacht habe. Zuerst hab ich das Lied fertiggestellt, und es dann so sehr beschleunigt, dass es nur noch eine Sekunde dauert. Dann hab ich es als Rhythmus für eben jenes Lied verwendet.“
„Moment“, fiel Christian ein. „Wie konntest du es denn fertigstellen und als Rhythmus verwenden, wenn es durch den Rhythmus erst fertiggestellt wurde?“
Thomas musste lange nachdenken. Schließlich sagte er: „Du machst mich krank! Ich spiele jetzt das Lied vor.“
Ein komischer Techno-Song erklang. Die Anwesenden nickten höflich mit den Köpfen, nur Frank schien schon betrunken genug zu sein, um es gut zu finden.
„Das ist nicht gerade Mozart was du da machst“, wagte Frank schließlich zu sagen.
„Wer weiß, was Mozart heute machen würde?“, empörte sich Thomas. „Mozart, Beethoven, das waren doch Pioniere ihrer Zeit. Und jetzt macht man in der klassischen Szene genau das Gegenteil: Man spielt die alten Sachen bis zum abwinken und beschwert sich darüber, dass in der modernen Musikszene soviel
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