Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
von dem Bett. „Jetzt messen wir erst mal!“
Er zückte das Thermometer und bereitwillig ließ Neal den
Messvorgang zu. 39,3 Grad!
„Wie viel?“
Dirk verharrte, dann lächelte er verkrampft. „Äh, 37,9 Grad! –
Siehst du, ich habe doch gesagt, dass es bergauf geht. Du siehst
auch schon viel besser aus.“
Nachdenklich lehnte sich Neal in das Kissen zurück. „Komisch,
dabei fühle ich mich eher schlechter.“
„Das bildest du dir ein!“ Dirk reichte ihm ein frisches T-Shirt,
dann deutete er auf den Nachtschrank, auf dem mehrere benutzte
Taschentücher lagen. „Deine Bazillentücher kannst du auch
wegräumen. Sonst stecke ich mich noch an.“
Neal nickte beschämt. Dann deutete Dirk auf den Teller mit
Brötchen.
„Und vom Frühstück hast du auch wieder nichts angerührt - weißt
du, was ich glaube? Du täuscht hier den Kranken vor, nur, weil du
wieder keinen Bock auf Schule hast.“
„Wie kannst du so etwas behaupten?“, rief Neal entrüstet.
„Dann steh’ doch endlich mal auf! Aber lieg’ nicht nur rum!“
Dirk griff nach einem Stück Brötchen und hielt es Neal vor den
Mund. „Hier iss! Tu’ endlich was dafür, dass es dir besser geht.“
„Ich mag nicht, mir ist schlecht.“
„Du isst jetzt, verdammt!“ Dirk brüllte. So gereizt hatte ihn Neal
noch nie zuvor erlebt. „Seit Tagen verweigerst du die Nahrung.
Ich habe es satt! Mach’ den Mund auf!“ Er zwängte Neal das
Brötchen zwischen die Zähne, so dass dieser augenblicklich zu
würgen begann. Er bekam keine Luft. Ein quälender Husten setzte
ein. Er drehte sich mit aller Kraft von Dirk weg und spuckte das
Stück Brötchen wieder aus.
Dirk schüttelte nur den Kopf. Strafend sah er seinen Freund an.
„Ich geh’ jetzt eine Runde um den Block“, sagte er mit
angespannter Stimme. „Und wenn ich wieder komme, dann sind
die Taschentücher weg, dieses angekaute Brötchen verschwunden,
und du sitzt am Tisch – angezogen - und trinkst Tee! Mindestens
zwei Liter.“
Er holte Luft, dann fügte er hinzu: „Und wenn du heute Abend das
Essen wieder ausspuckst, kann ich für nichts garantieren.“
Er drehte sich um, knallte die Tür hinter sich zu und verließ
das Haus. Neal zitterte am ganzen Körper. War es Schüttelfrost
oder Angst?
Nervös saß er am Tisch. Vor ihm eine Kanne Tee. In den zittrigen
Händen hielt er den Becher. Die benutzten Taschentücher waren
verschwunden, auch das Brötchen. Seine verschwitze Kleidung
hatte er weggeräumt, auch das Bett hatte er gemacht, obwohl ihn
diese Aufräumarbeiten sehr angestrengt hatten. Mehrmals musste
er eine Pause einlegen, weil der quälende Husten ihm die Luft
nahm, und seine Beine so schwach waren, dass er stets dachte, er
würde den Halt verlieren und wegknicken.
Wehleidig blickte Neal auf die Schachtel Zigaretten. Wie gerne
hätte er jetzt eine geraucht, doch allein schon bei dem Gedanken
daran, schnürte sich ihm die Kehle zu. Sein Hals schmerzte sehr.
Und doch hätte er sonst was dafür getan, um den feinen, herben
Tabakgeschmack im Mund schmecken zu können. Er seufzte. Sein
Mund war trocken. Er schmeckte nur Schleim und Halsschmerztabletten ... und dazwischen ... den Geschmack von Eisen, als
würde seine Kehle rosten.
Dann hörte er Schritte auf der Kellertreppe. Er verkrampfte sich
automatisch. Noch einen Wutausbruch seines Freundes hätte er
kaum mehr verkraften können.
Die Tür ging auf und Dirk trat ein. Seine Jacke war über und über
mit Schneeflocken bedeckt. Neal senkte den Kopf. Er hörte seinen
Freund auf sich zu kommen. Dann spürte er dessen Hand auf
seiner Schulter.
„Es tut mir leid“, sagte er liebevoll. Zaghaft hob Neal den Kopf.
„Ich war ungerecht zu dir, das tut mir wirklich leid.“
Neal nickte zaghaft. „Ist schon okay. Ich habe dich bloß noch nie
so erlebt. Ich kann doch nichts dafür, dass ich krank bin.“
„Nein, sicher nicht.“ Dirk setzte sich an den Tisch. Er wirkte ganz
erschöpft. „Ich weiß auch nicht, was da in mir vorging.“ Er
versuchte zu lächeln, dann stand er wieder auf.
„Ich muss noch mal Schnee schippen, sonst kommt man mit dem
Auto nicht die Auffahrt hoch.“ Er zog sich die Jacke wieder an.
„Und du gehst besser wieder ins Bett. Du siehst aus wie der
wandelnde Tod.“
„Okay.“ Neal schniefte. Wankend erhob er sich von dem Stuhl. Er
taumelte, dann hielt er sich krampfhaft an dem Tisch fest.
„Was ist?“, fragte Dirk sofort.
„Mir ist schwindelig!“
„Pass doch auf!“,
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