Liebling der Götter
entdeckt, daß er einen freien Willen besaß, festgestellt, daß – ganz im Gegenteil – sein gesamtes Leben von Anfang an von der Verkörperung des Lachens und einem Adler in allen Einzelheiten für ihn vorausgeplant worden war, einen dreiköpfigen Hund erworben, einen dreiköpfigen Hund verloren, das meiste, wenn auch nicht alles, über den lustigsten Witz aller Zeiten erfahren, ein göttliches Heer in die Flucht geschlagen, eine lange Zeit in der eigenen Hemdtasche verbracht und erfolglos versucht, den Gastgeber einer Gameshow zu ermorden. So ziemlich das einzige, was er in den letzten Tagen nicht getan hatte, war: etwas Anständiges zu essen.
Doch im Mann steckt dieses gewisse Etwas, das ihn ständig vorantreibt, so wie die Kraft der Jahreszeiten die Wurzeln der Blumen in den harten Boden; und deshalb entschied sich Jason gegen besseres Wissen, die Augen zu öffnen und herauszufinden, was ihm als nächstes bevorstand. Schließlich war er ein Held, ob es ihm nun gefiel oder nicht, und als man ihm die Wahl zwischen dem Weg des Reichtums und dem der Ehre gelassen hatte, hatte er sich für die als Umleitung ausgeschilderte Möglichkeit entschieden. Obwohl er kein Fachmann war, hatte er das instinktive Gefühl, daß diese Entscheidung unter die Rubrik ›das Schicksal herausfordern‹ fiel. Dennoch öffnete er die Augen.
»Und nun?«
Er sah sich um, und als erstes fielen ihm die Sandwiches ins Auge. Mit Schinken, Rindfleisch, Käse, Sardinen und Garnelen belegte Sandwiches; außerdem eine Schweinepastete, ein Teller mit Bratwürsten im Schlafrock, zwei Blätterteigtaschen mit Fleischfüllung und ein Stück Kuchen mit Zuckerguß.
»Das ist keine Bestechung«, versicherte ihm die Stimme über seinem Kopf.
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete Jason voller Unschlüssigkeit. Es war ihm zwar schwergefallen, aber er hatte sich entschieden. Zuerst das Rindfleisch.
»Und da es sich nicht um eine Bestechung handelt«, fuhr die Stimme fort, während das Sandwich aus Jasons Hand flutschte und wie ein verängstigtes Kätzchen davonsauste, »wäre es das beste, wenn du nichts davon äßest, solange du dich nicht zu einer Entscheidung durchgerungen hast.«
»Habe ich ja gerade«, erwiderte Jason. »Ich dachte, zuerst das Rindfleisch, dann einen Happen von der Pastete, danach …«
»Über die Zukunft des Menschengeschlechts.«
»Ach darum geht’s! Na ja, ich weiß ganz genau, daß einige Leute kein Rind oder Schwein essen dürfen, deshalb hätten die bestimmt nichts dagegen, wenn ich …«
»Darüber, ob man zulassen sollte, daß die Götter das Lachen vernichten.«
Jason erinnerte sich. Als es außer dem Essen nichts gab, worüber man nachdenken mußte, war das Leben sehr viel schöner gewesen, doch ganz offensichtlich hingen sein Schicksal, das der Welt und das der mit Rindfleisch belegten Sandwiches irgendwie zusammen; er hatte zwar keine Ahnung, wie, aber das war schon in Ordnung, schließlich hatte er nie behauptet, Mark Aurel zu sein. Ach ja, die Welt. Mit dem kleinen Teil seines Gehirns, der nicht in Gedanken mit Rindfleisch belegte Sandwiches aß, dachte er über die ganze Geschichte nach, und nach kurzer Zeit verkündete er folgendes Urteil.
»Also«, sprach er, »wenn die Welt nach der Abschaffung der Komik durch die Götter so wäre wie der Ort oder die Welt, oder wie immer du es nennen willst, die ich gerade gesehen habe, dann halte ich nicht viel von ihr und würde dort persönlich nicht leben wollen. Andererseits möchte ich auch nicht gern in Florida leben, aber viele Menschen sind von Florida sehr angetan, und mit welchem Recht könnte ich mir anmaßen zu behaupten, die hätten unrecht? Ich meine, egal, was ich mache, es ist weder Fisch …« Fleisch. Schinken. Rind. Schwein. Huhn. Truthahn. Kalb. Lamm. Würstchen. »… noch Fleisch«, brachte Jason mit aller Mühe heraus – Salami! Du liebe Zeit, gab es in der gesamten Schöpfung etwas derart Herrliches wie einen Salami-Mozzarella-Salat mit frischem Weizenbrot daneben und … Er zwang sich fortzufahren: »Jetzt könnte ich gut einen Rinderschmorbraten oder geräucherte Forellen vertragen, aber egal. Worauf ich hinauswill … Bist du noch da?«
»Ja.«
»Worauf ich hinauswill … Gibt es dann auch Senf? Zum Schluß, meine ich.«
»Gut möglich.«
»Was ich zu sagen versuche: daß ich mich so oder so weigere, ein Urteil zu fällen. Was ich will und was ich tun würde, weiß ich, aber ich denke nicht im Traum daran, über irgend jemanden sonst zu
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