Liebling der Götter
nickten zustimmend mit den tintenschwarzen Federbüschen und ließen ihre Schilde wie Herbstlaub zu Boden fallen.
»Ich meine, denkt doch bitte nur ein einziges Mal über alles richtig nach«, fuhr der Sprecher der Geisterkrieger fort. »Unser Leben begann in dem Maul eines riesigen blutrünstigen Drachen. Ich kann euch sagen, bei dem schlechten Atem war das alles andere als ein Vergnügen, und jedesmal, wenn dieses Scheißvieh nieste, flogen diese Feuerwerkskörper um einen herum. Wahrscheinlich glaubt ihr jetzt, schlimmer kann’s nicht kommen, nicht wahr? Weit gefehlt, denn irgendein Schwachkopf hat uns mit einer rostigen Kneifzange rausgezogen. Dann hat er uns in einen Bottich mit einem Zaubertrank getaucht, und als nächstes erinnern wir uns daran, daß wir jetzt eine Phalanx von Psychopathen bilden, die dazu verdammt sind, von irgendeinem Zwei-Meter-Trottel mit dem Schwert zu Zahnpulver verarbeitet zu werden.«
Die anderen Geisterkrieger klatschten mit den fleischlosen Händen Beifall und bekundeten lauthals ihre Zustimmung.
Jason runzelte bedrohlich die Stirn.
Der Höllenhauptmann versuchte, sich hinter seinem Schild zu verbergen; so etwas war nicht eingeplant. »Also gut«, sagte er, »und was erwartet ihr jetzt von mir? Soll ich dem Management alles in Ruhe erklären, während ihr euch verpißt und euch zu Friseuren umschulen laßt?« Seine Worte wurden von dem Lärm der zahnmedizinischen Wunderkinder übertönt. Er schloß die Augen und schlug mit dem Schild auf den Fußboden, damit wieder Ruhe einkehrte. Als es endlich soweit war, fuhr er fort: »Hört mal, ich kann durchaus nachempfinden, was ihr durchgemacht habt. Glaubt mir, ich weiß, wie ihr euch fühlen müßt. Leicht ist das bestimmt nicht für euch. Aber ihr müßt nun mal akzeptieren, daß man in diesem Leben nicht machen kann, was …«
Der Sprecher schnaufte verächtlich. »Wir haben mit diesem Leben doch überhaupt nichts zu tun! Wir sind nicht mal menschlich, und das ist das ärgerlichste daran. Wir sind nichts weiter als ein Ramschposten von wiederverwertetem Zahnersatz, und wir haben keine Lust mehr, uns das noch länger gefallen zu lassen. Und wenn du willst, daß jemand diesen Job erledigt, dann bitte gefälligst ein paar von deinen heißgeliebten Mitmenschen darum, klar?«
Der Höllenhauptmann lief rot wie eine Tomate an. »Wen nennst du hier einen Menschen?« verlangte er zu wissen.
»Was hast du denn? Nun mach doch nicht gleich aus einer Mücke einen Elefanten«, besänftigte ihn der Sprecher.
Erneut war ein markerschütterndes Krachen zu vernehmen, als führe ein Lastwagen über eine Riesenkrabbe, dem einige schwache Schreie folgten. Jason stützte sich auf dem Schwertgriff ab und kratzte sich am Kopf. Er fragte sich gerade – wie es bei ihm von Zeit zu Zeit vorkam –, worum genau er sich eigentlich Sorgen machte, als er in Höhe des rechten Ellbogens ein schwaches Keuchen vernahm.
Mit erhobenem Schwert schnellte er herum und entdeckte einen kleinen Teufel neben sich stehen, der in der einen Hand eine Mistgabel und in der anderen ein Funktelefon hielt.
Der Teufel blickte zu ihm auf. »Sind Sie Jason Derry?« erkundigte er sich höflich.
»Ja.«
»Ein Anruf für Sie«, sagte der Teufel und hielt ihm den Apparat hin. Jason nahm ihm das Telefon aus der Hand, nickte und bedankte sich. Doch der Teufel rührte sich nicht von der Stelle und streckte nur vielsagend die Hand aus. Jason seufzte und kramte aus der Hosentasche ein Fünfzig- und zwei Zehn-Pence-Stücke hervor, seinen gesamten derzeitig verfügbaren Reichtum. Helden nehmen nur selten Geld mit, weil man sich damit nur die Kleidung ausbeult. Der Teufel blickte ihn vorwurfsvoll an und zog sich endlich zurück.
»Hallo, wer ist denn da?« fragte Jason.
»Jason, bist du’s?« meldete sich eine vertraute Stimme.
»Hallo, Mum!« antwortete Jason erstaunt. »Woher hast du überhaupt meine Nummer?« erkundigte er sich argwöhnisch.
Nach einer kurzen Pause antwortete Mrs. Derry: »Ich … ich habe sie von Dad gekriegt.«
»Von Dad? Von welchem denn?«
»Vom großen Dad.«
»Aha, das hätte ich mir denken können. Was hat er denn gewollt?«
»Jason, ich will, daß du sofort nach Hause kommst. Hast du mich verstanden? Ich mache mir große Sorgen um dich.«
»Aber Mum« – er duckte sich, um einer scharfen Waffe auszuweichen –, »ich kann jetzt nicht nach Hause kommen, ich habe zu tun.«
»Komm mir nicht so, Jason!« ermahnte ihn Mrs. Derry. »Du kommst jetzt sofort
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