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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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wissen, bedeutet Jason nichts; es sei denn, eine Mutter spricht diesen Namen in einem ganz bestimmten Tonfall aus.
    »Mum, muß das jetzt sein? Ich bin schrecklich müde«, beschwerte sich Jason. »Kann das nicht bis morgen warten?«
    »Dein Vater ist aber wirklich sehr böse auf dich.« Mrs. Derry blieb unnachgiebig.
    »Pech für ihn, denn mir ist das im Grunde piepegal.« Jason reagierte ungehalten. »Der Kerl kann mir mal den Buckel runterrutschen, und ich …«
    »Jason! Du darfst deinem Vater gegenüber nicht so ungehorsam sein. Das gehört sich nun mal nicht.«
    »Mum, ich …«, stammelte Jason mit fast flehender Stimme.
    »Wenn du mir versprichst, daß du so etwas nie wieder tust, dann verliere ich kein Wort mehr darüber. Einverstanden?«
    »Mum«, begann Jason (und es erforderte von ihm einige Willenskraft, das nun folgende zu sagen), »was Dad von mir verlangt, kann ich nicht tun. Es ist einfach falsch.«
    Mrs. Derry blickte ihn entsetzt an. »Jason! Das ist vollkommener Unsinn, und das weißt du auch. Immerhin ist er dein Vater.«
    Jason wollte widersprechen. Er wollte ihr sagen, daß auch Attila der Hunne einen Sohn gehabt habe, ebenso Dschingis-Khan; daß die Lücken ihrer Argumentationsweise groß genug seien, um mit einem Lastwagen hindurchfahren zu können, ohne die Außenspiegel einklappen zu müssen; daß das, was Jupiter von ihm verlangt habe, der größtmögliche Verrat an seiner Sterblichkeit gewesen sei, den man sich vorstellen könne; daß Jupiter einen Gott gesandt habe – seinen eigenen Halbbruder –, der ihn heute hätte töten sollen, und wenn das nicht reiche, um ihn seiner Gehorsamspflicht gegenüber seinem Vater göttlicherseits zu entbinden, dann wolle er von ihr wissen, was noch alles geschehen müsse. Tatsächlich sagte er nur: »Mum …«
    »Er ist dein Vater«, beharrte Mrs. Derry zum wiederholten Male. »Und er macht sich furchtbare Sorgen um dich.«
    Das war fast zuviel für Jason, aber auch nur fast. Er wollte ihr gerade vorhalten, wenn der große Dad um die Sicherheit seines Sohns so furchtbar besorgt sei, warum er dann göttliche Meuchelmörder auf ihn gehetzt habe, die ihn gewaltsam in einen Sterngucker verwandeln wollten – aber irgendwie brachte er nichts davon über die Lippen. Statt dessen sagte er nur: »Hör mal, ich«, was zwar schon etwas anderes als ›Mum‹ war, aber noch immer keine wesentliche Verbesserung darstellte.
    Als von den Göttern zum erstenmal die Produktion von Helden geplant worden war, hatten sie sich darunter eine Art Reserve-Sondereinheit von Supersterblichen vorgestellt. Um sie bis zur Wettkampftauglichkeit zu trimmen, sollten die Helden mit allen guten sterblichen Eigenschaften ausgestattet und die schlechten entweder veredelt oder gleich ganz weggelassen werden. Das Planungsteam, das damals mit dieser Aufgabe betraut wurde, ging mit viel Vergnügen an die Arbeit und steckte seinen ganzen Ehrgeiz in dieses Projekt, was man hinsichtlich der Standardproduktion von Sterblichen nicht gerade behaupten konnte. Bis heute wird das Alltagsmodell ab Werk mit eingebauten Entwicklungsfehlern ausgeliefert: Feigheit, Habgier, Bosheit, körperliche Schwäche, schlechte C w -Werte, viel zu hoher Energieverbrauch und eine Neigung zu Masern. Ganz anders verhält es sich mit den Helden; aufgrund ihrer ungeheuren Kräfte und Fähigkeiten sind sie göttergleiche Wesen und dennoch völlig verschieden, da sie im Gegensatz zu den Göttern zusätzlich über ein hohes Maß an Edelmut, Zivilcourage und Gemeinsinn verfügen, sie trachten danach, die Leiden der Menschheit zu lindern, anstatt fünf Punkte für das Gegenteil zu ergattern (zehn bei doppeltem Kummertreffer); bekämpfen das Unrecht; nutzen den Schwachen, anstatt sie auszunutzen; ganz allgemein ausgedrückt, zanken sie sich auch nicht gleich bei jeder Gelegenheit wie gelangweilte und völlig verwöhnte Kinder. In der Tat waren Helden das Ergebnis eines solch erfolgreichen Entwicklungskonzepts, daß die Götter schon kurz nach der Auslieferung des ersten Exemplars merkten, daß sie sich ein Kuckucksei ins Nest gelegt hatten. Daraufhin riefen sie die gesamte Erstauslieferung mit fast ungebührlicher Eile zurück, um etwas dagegen zu unternehmen.
    Getan wurde schließlich folgendes: Jedem Exemplar wurde ein folgenschwerer, individuell angepaßter Fehler eingebaut, der zur Selbstzerstörung führte, sobald der Held erste Anzeichen verriet, daß er für seine Siebenmeilenstiefel zu groß wurde. Bei Achilles war es

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