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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Wachstum von Pflanzen – direkt vor einem aus dem Boden schießt.«
    Mary neigte den Kopf zur Seite, knabberte geistesabwesend an ihrer Schulter herum und fragte dann: »Soll ich dir wirklich glauben, daß du dich anders besonnen hast? Im Ernst?«
    »Ja.«
    »Nein, das hast du nicht.«
    Jason hatte das Gefühl, als würde seine allgemeine Verwirrung allmählich von einer gewissen Gereiztheit überlagert. »Bildest du dir etwa ein, Gedanken lesen zu können, oder was?« empörte er sich.
    »Ja.«
    Selbst damit wurde Jason spielend fertig, denn er fuhr im selben Ton fort: »Dann müßtest du ja auch wissen, daß ich mich tatsächlich entschieden habe. Wenn es dir jetzt nichts ausmachen würde, dann …«
    Das Mädchen schlug erneut bockig die Beine übereinander. »Willst du mich etwa rausschmeißen?«
    »Wenn du es so ausdrücken willst, ja«, stellte Jason unmißverständlich klar. »Und deinen Freunden kannst du ausrichten, daß ich mich, wenn ich schon von der einen oder anderen Seite herumkommandiert werde, genausogut von Jupiter herumkommandieren lassen kann. Schließlich ist er mein Dad und wird am Ende sowieso gewinnen.«
    »Wer kommandiert dich herum?«
    »Alle!« brüllte Jason wütend. »Jeder kommandiert mich herum! Tu dies, tu das. Erfüll dein Schicksal. Schlag der Schlange dahinten den Kopf ab. Stiehl die goldenen Äpfel. Ihr könnt mir alle mal den Schuh aufblasen! Ich lasse mich nicht mehr herumkommandieren! Und falls du glaubst, ich werde meinen eigenen Vater betrügen, nur um mich von jemand anderem herumkommandieren zu lassen, dann …«
    »Aber Jason …«
    »Hör endlich auf, mich Jason zu nennen! Den ganzen Abend habe ich nichts anderes gehört als: ›Jason, Jason, Jason.‹ Und jetzt zieh dir wieder deine Federn an, und mach ’ne Fliege.«
    »Jason …«
    »Und es bringt dir auch gar nichts, wenn du jetzt sagst, daß du einer bedrohten Tierart angehörst, denn dieses Haus fällt weder in den Zuständigkeitsbereich vom Tierschutzverein noch von Greenpeace. Und jetzt zisch ab, bevor ich dir ein Kissen ins Maul stopfe.«
    »Jason …«
    »Ich meine, man kann durchaus behaupten, daß Jupiter und seine Horde nicht gerade die Krönung der Schöpfung sind, aber wie sähe die Welt denn aus, wenn sie von einem Haufen Komödianten beherrscht würde? Alle hätten nur noch damit zu tun, sich gegenseitig Witze zu erzählen, und früher oder später kommt es dann so weit, daß sie nicht einmal mehr Getreide säen, und wohin würde uns das letztendlich führen?«
    »Jason …«
    Jason Derry prustete erschöpft durch die Nase, griff nach dem Schwert und schwang es über dem Kopf, wobei er unabsichtlich das elektrische Kabel von der Hängelampe durchtrennte. Das Mädchen kreischte erschrocken auf, ließ sich Federn wachsen und hüpfte auf den Fenstersims.
    »Raus!« befahl Jason.
    Der Adler warf ihm einen abfälligen Blick zu, spreizte die Flügel und verschwand.
    Noch immer leicht zitternd vor Aufregung schloß Jason das Fenster und legte das Schwert beiseite. Dann ging er ins Bett und schlief kurz darauf wieder ein; das war, wie er im nachhinein wußte, ein Fehler.
    Er hatte bereits länger als eine Viertelstunde friedlich geschlafen, als er von einem Traum heimgesucht wurde. Da das Fenster verschlossen war, mußte sich der Traum in das Stromnetz hineinzwängen und sich durch das zertrennte Lichtkabel hindurch ins Zimmer einschleichen. Eine ganze Weile stand er vor Jasons Bett, um erschöpft Luft zu holen. Dann schaltete er sich behutsam in Jasons Gehirn ein und machte sich ans Werk.
    Jason hatte das Gefühl, als stünde er in einer Reihe. Es war eine lange Reihe, von der er nicht einmal das Ende sah und deren Zweck ihm völlig schleierhaft war. Die Leute vor und hinter ihm hatten keine Gesichter, sondern nur glatte Flächen ohne jede Öffnung.
    Die Reihe schlurfte langsam vorwärts, und da es sich um einen Traum handelte, konnte Jason diese Sequenz ein Stück vorspulen, wodurch er schnell erkannte, daß er schon eine unendlich lange Zeit in dieser Schlange gestanden haben mußte, obwohl dieser Abschnitt des Traums nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert hatte. Dann befand er sich plötzlich ziemlich weit vorn in der Reihe, und er sah Jupiter, neben dem Mars und Pluto standen. Alle drei hielten große Filzstifte in den Händen, und während sich die Leute in der Schlange an ihnen vorbeidrängten, malten sie auf die leeren Vorderseiten ihrer Köpfe Gesichter. Zumindest zeichneten sie zwei Kreise für die

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