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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Augen und einen nach unten hin geöffneten Halbkreis für den Mund; ein trauriges Gesicht. Dann stießen sie einen nach dem anderen vom Rand eines Felsens in die Tiefe.
    Das spricht wohl für sich selbst, möchte ich meinen, sagte Jasons Unterbewußtsein. Jedenfalls geht es bei dieser sinnbildlichen Darstellung irgendwie um Werturteile, und vielleicht hatte ich vorm Schlafengehen lieber kein Käsesandwich essen sollen.
    Schließlich blickte er sich um und entdeckte eine zweite Reihe, die parallel zu seiner verlief. Sie war genau gleich, nur standen Gelos und Prometheus ganz vorn, und die Gesichter, die sie malten, hatten nach oben hin geöffnete Halbkreise; lächelnde Gesichter also. Und wenn diese Leute vom Felsen gestürzt wurden, fielen sie nicht. Statt dessen trieben sie wie Astronauten auf einem Raumspaziergang nach oben, schwebten einige Augenblicke in der Luft, landeten sanft auf dem Boden und stellten sich wieder hinten in der Schlange an.
    Ganz schön daneben, sagte Jasons Unterbewußtsein. Wenn Sigmund Freud sehen könnte, was sich hier abspielt, würde er mich schneller in eine Gummizelle stecken, als ich laufen kann.
    Dann war er plötzlich erster in seiner Reihe, und Jupiter – Dad – malte ihm ein Gesicht auf die leere Vorderseite seines Kopfes. Ein trauriges Gesicht. Danach nahm er im Rücken den Druck einer riesigen Hand wahr und stürzte über den Felsrand in die Tiefe. Er öffnete den Mund, weil er schreien wollte, doch schmeckte er nur die verschmierte Tinte.
    Während er fiel (allerdings sehr langsam, da es ein Traum war), entdeckte er in weiter Ferne unter sich drei Punkte. Je tiefer er fiel, desto größer wurden die Punkte, bis sie sich in drei Adler verwandelten. Zwei von ihnen flogen einfach an ihm vorbei, aber der dritte tauchte hinter ihm her, schnappte ihn sich mit einer Kralle und zog ihn wieder nach oben. In der anderen Kralle hielt der Adler eine Tüte mit Pommes frites, die er ihm anbot.
    Schließlich stand er wieder auf dem Felsen und war furchtbar wütend. Er hielt jetzt einen Schwamm in der Hand und ging damit zu Jupiter hinüber. Er wischte seinem großen Dad das Gesicht ab und malte statt dessen ein entsetzlich trauriges hinein. Dann packte er ihn und stürzte ihn vom Felsen. Sein Unterbewußtsein schlug zwar Krach ohne Ende, aber er achtete nicht darauf, und das war ein sehr angenehmes Gefühl.
    Der Traum grinste und stand auf. Der Teil mit dem Schwamm war seine eigene Idee gewesen, und obwohl er wußte, daß Dingsbums nicht viel von spontanen Einfällen hielt, gewann er immer mehr das Gefühl, daß es wahrscheinlich erst dieser Schwamm gewesen war, der den entscheidenden Ausschlag gegeben hatte. Der Traum legte eine kurz Pause ein, um Jason in tiefen Schlaf zu versetzen, dann kroch er wieder in das Stromkabel zurück und verschwand.
    Etwa eine halbe Stunde später wachte Jason schweißgebadet auf.
    Er glaubte, etwas zu hören, und horchte genau hin. Nichts. Er fluchte benommen vor sich hin und versuchte, erneut einzuschlafen. Dann hörte er es schon wieder. Es war das Geräusch eines Hundes oder dreier Hunde, oder eines Hundes mit drei Köpfen, der bellte. Magenkatarrh wachte plötzlich auf, gluckste einige Male nervös, bis er endlich bemerkte, was los war, und mit der Hand nach dem Radiowecker schlug.
    Beim vierten Versuch traf er ihn und brachte das widerspenstige Gerät auf nachdrückliche Weise zum Verstummen. So ließ es sich schon besser ertragen, jedenfalls ein wenig.
    Die verschiedenen Verkörperungen abstrakter Begriffe, die die unterste Schicht in der göttlichen Hierarchie bilden – Habgier, Angst, Frühling, Hoffnung, Pennsylvania, Reichtum und Blinddarmentzündung, um nur einige zu nennen –, haben es wirklich nicht leicht; Plato spricht von ihnen auch als Ideen, die gemeinsam die Ideenwelt bilden, warum auch nicht? Wie es ihr berühmter Sprecher Unzufriedenheit beim Januar-Aufstand von 1979 [9] ausdrückte, müßten die Ideen die gesamte Arbeit leisten, während die Götter den ganzen Ruhm für sich einheimsten. Diese Kluft zwischen geleisteter Arbeit und gewährtem Status war bereits sehr groß gewesen, bevor die Götter den Olymp verlassen hatten. Doch nach ihrem Abmarsch übergaben die Götter auch noch das gesamte Management ihrer verschiedenen Geschäftsbereiche an die ihnen entsprechenden Ideenteams – beispielsweise trat Mars die Kriegsführung an Tod, Angst und Sieg ab, und Minerva ernannte Philosophie, Vernunft und (merkwürdigerweise) Stichelei zu

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