Liebling der Götter
ihren Anwältinnen –, dabei erhöhten sie den Ideen nicht einmal die Löhne, sondern garantierten ihnen lediglich das Recht, von nun an die Verehrung der Sterblichen für sie entgegenzunehmen und ihre alten Waschräume zu benutzen. Jede Idee muß sich zwar nach wie vor für irgendwelche Fehler oder Unterlassungen gegenüber ihrem Abteilungsleiter verantworten, doch erhält sie nur geringe oder gar keine Unterstützung von ihm, selbst wenn es sich dabei um die umfassendsten und weitreichendsten politischen Entscheidungen dreht. Ein gewisses Maß an Groll war unausweichlich; und der letzte Tropfen, der nach Auffassung der meisten Beobachter das Faß fast zum Überlaufen gebracht hätte, war die sogenannte Ideenumfangbegrenzung, die von Jupiter Anfang der achtziger Jahre eingeführt wurde. Folge davon war, daß seither sämtliche Ideen in den direkten Zuständigkeitsbereich des großen Himmelsgottes höchstpersönlich fallen.
Da Magenkatarrh die Schule des Humors nur mit einem Ausreichend absolviert hatte, kam er nur selten mit Jupiter zusammen, und er war heilfroh darüber. Die Arbeit war schon schlimm genug, ohne es mit dem Vater der Götter und Menschen zu tun haben zu müssen. Nehmen wir zum Beispiel nur mal den vorhergehenden Abend: Magenkatarrh hatte den Auftrag erhalten, beim Empfang des australischen Botschafters in Moskau zu erscheinen, und zwar mit der Auflage, wenigstens dreihundertzwanzig Gäste zu befallen. Durch den Trubel und insbesondere aufgrund der Wette des australischen Handelsattachés, den Staatssekretär für wirtschaftliche Angelegenheiten unter den Tisch saufen zu können, war Magenkatarrh erst am frühen Morgen um kurz vor vier Uhr ins Bett gekommen. Folglich war es nicht verwunderlich, daß er nun mit furchtbaren Kopfschmerzen aufwachte.
Nachdem er mit dem Radiowecker auf so grobe Weise klargekommen war, drehte er sich noch einmal um und versuchte weiterzuschlafen, aber irgendwie fand er den Dreh nicht mehr. Fluchen half auch nichts. Also stand die sich erbärmlich fühlende Idee auf, zog sich den Morgenmantel versehentlich verkehrt rum an und machte sich auf die Suche nach Orangensaft.
Glücklicherweise entdeckte Magenkatarrh im Eisschrank noch eine Flasche und trank sie sofort aus. Gerade als er ganz allmählich das Gefühl gewann, sich mit optimaler medikamentöser Unterstützung irgendwann zumindest einigermaßen erholen zu können, klingelte das Telefon.
Er machte den Hörer ausfindig und hielt ihn nur so dicht ans Ohr wie unbedingt notwendig, da es sich ohnehin um ein sehr lautes Telefon handelte.
»Wer da?« grummelte er in die Sprechmuschel.
»Morgen, Makar«, begrüßte ihn eine freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung. »Wie ist die Lage?«
Magenkatarrh zuckte zusammen. »Könntest du bitte etwas leiser sprechen?« flüsterte er beispielhaft. »Mir geht es nicht so gut, und ich …«
»Um Himmels willen, Makar! Hast du etwa schon wieder einen Kater? Mich haut das echt vom Hocker, wie du das andauernd wegstecken kannst.«
Magenkatarrh blickte den Hörer finster an, bis er feststellte, daß das Zusammenziehen der Augenbrauen die Kopfschmerzen nur noch unerträglicher machte. Der rüde Umgangston von Gesundheitszustand, seinem unmittelbaren Vorgesetzten, war typisch für ihn; trotzdem war er jetzt nicht in der Stimmung, darauf einzugehen oder gar irgendwelche Zugeständnisse zu machen.
»Hör mal, ich habe die ganze Nacht gearbeitet und heute meinen freien Tag«, antwortete er abweisend.
»Tut mir leid, Makar, aber auf Anordnung von ganz oben ist sämtlicher Urlaub gestrichen worden. Um punkt zehn bist du am Bahnhof.«
»Gezu, ich …«
»Tut mir leid, mein Freund, daran läßt sich nicht rütteln«, beharrte sein Chef. »Sämtliche Krankheiten und Gebrechen haben sich umgehend zu melden; Ausreden gelten nicht.«
»Ach, hör mal, Gezu …«
»Kein Wenn und Aber. Ach ja, und außerdem leitest du den Einsatz. Das gefällt dir doch bestimmt, oder? Versau aber bitte nicht wieder alles, es steht nämlich eine Menge auf dem Spiel.«
»Verdammte Scheiße, ich …«
Gesundheitszustand lachte. »Ich weiß, ich weiß, aber ich selbst kann’s leider nicht machen, weil ich krankgeschrieben bin. Na ja, außerdem habe ich der alten Schreckschraube hoch und heilig versprochen, heute morgen mit ihr einkaufen zu gehen. Wenn das nicht klappt, bringt sie mich glatt um. Aber das bleibt unter uns, klar?«
Trotz seiner schier unendlichen Wut empfand Magenkatarrh nun doch etwas
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