Liebling, Ich Kann Auch Anders
sonst wie berauscht?«
»Na ja, unter sonst wie berauscht könnten wir es schon laufen lassen«, erwiderte sie, auf mein Spiel eingehend, und hatte dabei jenes Lächeln im Gesicht, das Verliebte in den Augen nicht Verliebter stets töricht bis blöde aussehen lässt.
Irgendwie kam mir das Ganze aber dann doch ein bisschen zu dick aufgetragen vor, und deshalb fragte ich mich für einen Moment, ob sie mir eine Komödie vorspielte. Diesen Gedanken verwarf ich jedoch sofort, als ich wieder den Glanz in ihren Augen wahrnahm, der von ganz tief drinnen zu kommen schien und ihr fast eine Aureole verpasste. Zumindest im Schein der untergehenden Sonne.
»Also, mein Schatz, ich höre …«
»Ich fange am besten von vorn an. Ich meine, zum Zeitpunkt nach meiner letzten Mail an dich, mit der ersten von Magnus nach unserer Initial-Begegnung: ›Caesar hätte Cleopatra, Voltaire Emilie verlassen und Jean-Paul Simone – hätten sie nur die kleinste Chance gehabt, in deine wunderbare Nähe zu gelangen.‹ Hat mich fast umgehauen.«
Ich geb’s zu, das beeindruckte mich auch. Ich äußerte jedoch nichts, sondern hing an Evas Lippen.
»Nachdem wir unser Treffen vereinbart hatten, gab es noch ein paar Mails, auch rief er noch mal an, wollte wissen, ob er mich nicht doch verschonen sollte. Es schien ihm einen Heidenspaß zu bereiten, sich in abstoßenden Formen und den scheußlichsten Farben darzustellen. Meine Fantasie schlug hohe Wellen. Ich sah mich zuerst in heißer Umarmung mit dem Mann meiner individuellen Wunschträume, den ich mit geschlossenen Lidern genoss. Und als ich die Augen aufschlug, ertappte ich mich – mit erheblichem Gruseln – dabei, wie ich mitfühlend die verschorfte Glatze eines sehr hässlichen, ziemlich dicken, doch ausnehmend liebenswürdigen älteren Herrn streichelte.«
»Ih!«, rief ich, die ich meine Nächte in den Armen eines makellosen jungen Mannes verbrachte. »Mich gruselt auch – und zwar gewaltig!«
In gespielter Gouvernanten-Manier fragte sie: »Ist es nicht Christenpflicht, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben? Bietet nicht das Neue Testament eine großzügige Auswahl an Mühseligen und Beladenen und fordert Barmherzigkeit?«
Ich ging auf das Spiel ein: »Ja, klar. Und auch jede Menge Beispiele für den gefälligen Umgang mit dergleichen bemitleidenswerten Kreaturen, Eva aus Samaria …«
Eva formte mit den Händen etwas in der Luft, das sowohl die Kuppel des Petersdoms hätte abgeben können als auch einen gigantischen Heiligenschein. Dann schnitt sie eine Grimasse, und wir prusteten beide los.
Als wir uns wieder beruhigt hatten, fuhr sie fort: »Trotz allem ließ ich mich von Magnus’ Anspielungen nicht erschüttern. Das heißt, ich ließ mir nichts anmerken. Aufgewühlt war ich natürlich schon. Aber ich nahm mir vor, meine Mimik absolut unter Kontrolle zu halten, falls sein Äußeres mich abschrecken sollte. Dann würde sich die Geschichte eben nicht aufs Erotische ausweiten. Wir würden geistreiche Gespräche führen und viel miteinander lachen. Es würde sich eine wunderbare Freundschaft entwickeln – never ending, wie Magnus mehrmals prophezeit hat.« Eva lachte vergnügt. »Am nächsten Tag – unserem Tag! – gestern, rief er um elf an. »Last exit, meine Schöne. Noch kannst du es dir überlegen. Noch hast du die Chance, dein Wunschbild von mir weiterleben zu lassen, noch liegt es nicht in Scherben.« Er gab sich wieder mal alle Mühe, mir Furcht vor der Begegnung einzujagen, aber ich blieb stur. Schließlich versicherten wir uns gegenseitig mit aller Ernsthaftigkeit, dass wir – wie immer das Treffen auch verlaufen mochte – unsere Freundschaft fortsetzen würden. Am Morgen war ich schon gelaufen, hatte mir anschließend Gesichts- und Körperpeelings verpasst, meine Beine enthaart, mein Haar mit einer Balsamkur eingeschmiert, den aufkeimenden Pickel an der Oberlippe gekillt und mir die Augenbrauen gezupft.«
»Kein Mann vermag zu ahnen, welchen Aufwand eine Frau vor einem Rendezvous treibt«, sagte ich und ergänzte im Stillen: Und kaum einer sieht überhaupt, dass es was zu sehen geben könnte.
»Die Vorbereitung des Mannes besteht allenfalls darin, dass er seine schickste Unterhose anzieht«, lästerte Eva.
»Ja, das habe ich auch mal im Radio gehört«, bestätigte ich. Meine Beobachtungen sind nicht so vielfältig, dass ich viel mehr dazu sagen könnte. Benis Slips waren jedenfalls, bevor ich ihm ein paar neue kaufte, eher verwaschen und ausgeleiert
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