Liebling, vergiss die Socken nicht
verschwunden sein. Seine beiden Töchter waren so verschieden. Jess mit ihrer verletzenden Art nach dem Motto, bevor du mich trittst, trete ich dich, und Janey, die damit kämpfte, ihre Gefühle zu unterdrücken. Doch eines hatten sie gemeinsam. Er hatte beiden wehgetan. Er fühlte sich genau wie das Arschloch, als das Jess ihn beschimpft hatte, und ging wieder in das Lokal zurück, um sich ihrer rücksichtslosen Kritik zu stellen.
Dem Himmel sei Dank, dass ich meine Arbeit habe, sagte Ally sich zum wiederholten Male. Sie war faszinierend, fordernd, ermüdend und spendete ihr Trost und Freude zugleich. Beides war Balsam für ihre gebeutelte Seele. Selbst Maggy Mann benahm sich ihr gegenüber netter, eine zwiespältige Angelegenheit, denn das brachte langatmige Geständnisse zum Thema ›Männer: Scheißkerle oder Arschlöcher?‹ mit sich.
Doch sie konnte wirklich jede Hilfe gebrauchen. Seit dem Lunch mit Matt sprach Janey überhaupt nicht mehr mit ihr. Sie hatte eine Mauer des Schweigens errichtet, und Ally kam nicht mehr an sie heran. Es machte ihr angst, besonders da Janey in zwei Wochen ihre Abiturprüfungen hatte.
Sie nahm ihr Skript und machte sich auf den Weg ins Studio. Vor ihr lag eine schwierige Show. Es ging um die aufreibende Konfrontation zwischen einer Frau, die gegen ihren Willen verlassen wurde, und ihrem Ex-Mann, der sich in eine andere verliebt hatte. Außerdem würde sie im Studio ein Interview mit den drei Kindern dieses Ex-Paars führen.
Ally hoffte, dass sie der Sache gewachsen war.
Der erste Teil zwischen Mann und Frau lief hervorragend. Zu ihrer großen Erleichterung stellte Ally fest, dass sie sich weder für ihn noch für sie erwärmen konnte. Beide waren schwierige Menschen, die in jeder Ehe Probleme hätten. Doch als die Reihe an die Kinder kam, wurde es schwerer. Das jüngste war ein tapferes Kerlchen von sechs Jahren, der in Allys Augen zehnmal mehr wert war als seine Eltern. Es war rührend, wie er Ally aus seiner Sicht von der Trennung seiner Eltern erzählte. Völlig unerwartet drehte er sich plötzlich zu seinen Eltern um, und es versagte ihm fast die Stimme, als er sie bat, wieder alles so werden zu lassen wie früher.
Ally stiegen die Tränen in die Augen, und als sie auf den Teleprompter schaute, konnte sie nicht einmal mehr ihren Text lesen.
»Sorry, Bernie«, flüsterte sie ins Mikrofon, »ich muss leider abbrechen.«
Sekunden später tauchte Bernie im Studio auf und führte sie in eine ruhige Ecke. »Ich weiß, Ally, ich weiß.« Er tätschelte sie unbeholfen. »Ich habe mir schon gedacht, dass diese Sache dir unter die Haut gehen würde. Aber wenn es dir ein Trost ist, es macht dich noch sympathischer. Die Zuschauer sprechen total auf dich an.« Er umarmte sie. »Nur noch ein paar Minuten.«
Durch ihre Tränen hindurch lächelte Ally über die Ironie des Fernsehens, in dem echte Gefühle den höchsten Kurs erzielten. Je mehr Schmerz sie empfand, um so besser war ihr Auftritt. Die Tatsache, dass das Kind seine Eltern so angefleht und sie die Show unterbrochen hatte, würde diese Sendung zur stärksten der ganzen Serie machen, ging es ihr bitter durch den Kopf.
»Okay, Bernie. Es geht schon wieder.«
Irgendwie schaffte sie den Rest der Show und stolperte in ihre Garderobe zurück. Fünf Minuten später tauchte Bernie mit einer Tasse heißem Tee auf.
»Du bist ja wie eine alte Tante«, schalt sie ihn.
Bernie lachte und seine kleinen Augen verschwanden fast in den Falten seiner ledernen Haut. »Ich kümmere mich um dich, Allegra Boyd. Nicht nur wegen dem hier«, er machte eine Handbewegung in Richtung Studio, »sondern auch, weil ich mich verantwortlich für den Bruch mit Matt fühle. Wenn wir nicht zu Page gegangen wären...«
»Mach dir keine Sorgen, Bernie. Das hat sich schon lange angebahnt. Es hat nichts mit dir zu tun.«
Bernie war nicht überzeugt. Er lächelte traurig. »Aber die wirklich bedeutende Frage ist jetzt: Kommst du zur Party?«
Die obligatorische Serien-Abschluss-Party war so ziemlich das letzte, wonach Ally jetzt der Sinn stand. Aber es wäre unhöflich und unkollegial gewesen, nicht hinzugehen. Also sprang sie rasch unter die Dusche und zog sich anschließend ein schwarzes Seidenkleid an. Seit der Trennung hatte sie mehr als drei Kilo abgenommen, und sie sah fürchterlich aus. Sie fragte sich, ob diese ultraschlanken Models, die einem das Gefühl vermittelten, ein Tönnchen zu sein, deshalb solche Striche in der Landschaft waren, weil sie tief
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