Liebling, vergiss die Socken nicht
Tanken und Blumenkaufen hielt er kurz vor Bristol an. Die Verkäuferin erkannte ihn gleich, nannte ihn ›Matt‹ und gab ihm ihren schönsten Strauß. Er mochte die Offenheit dieser Leute im Westen. Sie schubsten sich nicht gegenseitig mit den Ellbogen an und flüsterten, sondern sagten einfach: »Guten Morgen, Matt.«
Matt stieg wieder in seinen Wagen. Das Krankenhaus lag zehn Minuten entfernt. Er blickte auf die Uhr. Viertel nach sieben. Ob man ihn um diese Zeit überhaupt hereinließ?
Die Krankenhauspforte war nicht besetzt, und Matt konnte sich ungehindert auf die Suche nach seinem Vater machen. Über den Liften waren Unmengen von Hinweisen zu den einzelnen Stationen angebracht.
Als Matt endlich auf der Clifton-Station ankam, herrschte dort lebhafter Betrieb. Frühstück und Waschen im Bett. Matt blickte sich nach jemand Verantwortlichen um. Schließlich bemerkte ihn eine hochgewachsene, gutgebaute Krankenschwester, die offensichtlich aus Sri Lanka stammte. »Es tut mir leid, aber die Besuchszeit beginnt erst um neun. Sie müssen bitte draußen warten.« Es sah fast komisch aus, wie sich ihr Gesicht veränderte, als sie begriff, mit wem sie gerade sprach. »Mr. Boyd?« Ihre Stimme klang jetzt nicht mehr ärgerlich, sondern lebhaft. »Ich wusste ja nicht, dass Sie der Mr. Boyd sind. Wir alle hier sind große Fans von Ihnen. Ich bin die Stationsschwester. Ihr Vater liegt da drüben.«
Matt war froh, dass er sich die Erlaubnis, seinen Vater zu sehen, nicht erkämpfen musste. Mit einem berühmten Gesicht hatte man wenigstens ein paar Vorteile. Er folgte ihr und wurde plötzlich nervös.
«Wie geht es ihm?« Matt ging an einem Frühstückswagen vorbei, auf dem matschige Rühreier mit blassen Würstchen lagen. Beim Geruch der zerkochten Speisen musste er fast würgen. »Was ist überhaupt passiert?«
»Er hat einen Schlaganfall gehabt.« Die Schwester blieb stehen und sprach leise weiter. »Er ist noch nicht wieder bei Bewusstsein, so dass wir über die Folgen noch gar nichts sagen können. Ihre Mutter ist bei ihm.« Sie ging weiter. »Wir hoffen, dass er bald zu sich kommt. Vielleicht hilft ja Ihr Besuch.« Sie blickte über die Station, und Matt bemerkte zum erstenmal, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. »Bei allen anderen jedenfalls wirken Sie.«
Am Ende der Station erblickte Matt in einem hohen Bett eine kleine, zerbrechliche Gestalt, fast wie ein Kind, die gegen die Kissen gelehnt war. Die Augen waren geschlossen und das Gesicht wirkte leblos. Daneben saß Mona, ruhig strickend, und Matt stiegen vor Rührung die Tränen in die Augen, denn er musste unwillkürlich daran denken, wie es war, wenn er als Kind krank gewesen war. Ob Keuchhusten, Grippe oder Fieber - immer, wenn er wachgeworden war, hatte seine Mutter strickend an seiner Seite gesessen.
Und dann erblickte sie ihn. »Matt, mein Junge, du bist gekommen.«
Matt nahm sie in die Arme, während die Krankenschwester diskret den Vorhang zuzog, der sie von den anderen Patienten trennte.
»Natürlich bin ich gekommen. Wie geht es ihm?«
Das Gesicht seiner Mutter wirkte abgehärmt. »Sie wissen es noch nicht. Ich wünschte, er würde aufwachen.«
Matt setzte sich aufs Bett und nahm die Hand seines Vaters in seine. Er war besessen von der absurden Vorstellung, dass seine Gegenwart den. Vater wieder ins Leben zurückrufen würde. »Hallo, Dad.« Sanft drückte er die kalte Hand. »Ich bin‘s, Matt.«
Nichts passierte. Es sollte kein Wunder geben. Das Leben war schließlich nicht Hollywood, nicht einmal für Matt Boyd.
Im Bett nebenan bekam jemand einen Hustenanfall und bat stockend um die Urinflasche.
Matt fühlte sich hilflos. Er stand auf. »Er sollte in einem Privatzimmer liegen. Ich gehe mich mal erkundigen.«
»Nein, mein Schatz.« Seine Mutter zog ihn wieder aufs Bett herunter. »Wir sind normale Leute. Wir verlassen uns auf unser Gesundheitssystem. Dein Vater würde nicht privat liegen wollen. Die Behandlung ist hier wie dort die gleiche. Wir sind immer stolz darauf gewesen.« Sie nahm seine Hand. »Abgesehen davon wird es ihm hier besser gefallen, wenn er aufwacht. Hier gibt es viel zu sehen. Leute, mit denen er über Krankheiten reden kann. In einem Privatzimmer hätte er nur das Fernsehen.«
Matt musste lachen. Nur das Fernsehen. Irgendwie rückte es das Affentheater mit seiner Show in eine ganz andere Perspektive. Seine Mutter hatte recht. Letztendlich war es nur Fernsehen.
Müde und ausgepumpt schloss Matt die Augen.
»Du
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