Liebling, vergiss die Socken nicht
Erstaunt darüber, dass die Veranstaltung doch etwas bewirkt hatte, sah sie in die Runde. Sie hatte schon jetzt mehr Selbstvertrauen. »Ich habe beschlossen, mir einen Job zu suchen.«
»Ein guter Entschluss!« In Barbaras Stimme schwangen Wärme und Anerkennung mit. »Ich bin froh, dass du heute gekommen bist.«
Als sie in Barbaras freundliches Gesicht sah, wusste Ally, dass sie es ehrlich meinte. Dann merkte sie erst, dass alle ihr Beifall klatschten, weil sie ebensogut wie sie wussten, dass sie gerade den ersten Schritt getan hatte, ihrem Leben eine Wendung zum Besseren zu geben.
»Hat jemand Lust auf einen kleinen Drink?« fragte Monica, eine joviale Matrone aus den betuchten Vororten mit einer charmanten, wohltönenden Stimme, als sie nach dem Workshop ihre Sachen zusammensuchten. »Ich habe gegenüber ein Weinlokal entdeckt. Tiddles oder Tipples oder ein ähnlich blödsinniger Name.« Sie schlang sich ihre Umhängetasche mit dem forschen Draufgängertum eines rebellischen Infanteristen über die Schulter. »Denn warum sollen wir sofort zurück zu Heim und Herd eilen und das verdammte Abendessen machen?«
Susie lachte und nahm ihren Arm. »Ganz meine Meinung. Ins Weinlokal!«
»Bei dir ist es ja okay«, meinte Ally, der eingefallen war, dass sie keine Ahnung gehabt hatte, wie lange der Workshop dauern würde, und noch gar nichts fürs Abendessen vorbereitet hatte. »Trevor stellt wahrscheinlich ein Dinner mit sechzehn Beilagen auf den Tisch, wenn du nach Hause kommst.«
»Komm schon, Ally«, schmeichelte Susie, »du bist die Heldin des Tages, unsere Jeanne d‘Arc. Diejenige, die ihr Leben ändern wird. Du darfst jetzt nicht nein zu einem Glas chilenischen Cabernet sagen, bloß weil dein Göttergatte beleidigt sein könnte.«
Ally merkte, wie sie schwach wurde. Sie hatte tatsächlich keine Lust, nach Hause zu fahren und ein Abendessen zu kochen. Sie wollte noch ein Weilchen den warmen, aufbauenden Kameradschaftsgeist spüren, der sie mit den anderen verband.
Auf einmal fing sie an zu grinsen und erhob die Faust der weiblichen Solidarität gegen die Unterdrücker mit Pfeife und Hausschuhen, die das ganze Land unsicher machten. »Du hast recht. Wir können ja immer noch Fish and Chips essen.«
»So gefällst du mir!« stimmte Susie begeistert zu.
Ally legte einen Arm um sie und den anderen um Monica. »Und außerdem«, sagte sie, als sie sich in das Weinlokal quetschten, »kann er die verdammt noch mal selbst holen!«
Als Ally um Viertel vor acht aus Susies Auto stieg, fühlte sie sich nicht mehr ganz so heldenmütig. Sie befahl sich selbst, kein Waschlappen zu sein. Gut, es war ein bisschen spät, aber warum sollte denn nicht zur Abwechslung mal sie auf einen Drink gehen?
Sie öffnete die Beifahrertür und dachte an einen Spruch, den ihr Vater immer gebraucht hatte, wenn er etwas angestellt hatte und wusste, dass ihre Mutter an die Decke gehen würde: »Ich werfe lieber erst mal meinen Hut rein.« Als würde ihre Mutter mit dem Nudelholz hinter der Tür lauern.
Doch Matt stand nicht hinter der Tür.
Was hinter der Tür stand, war ungefähr ein Dutzend Tragetaschen von Marks & Spencer, die sich in verschiedenen Stadien des Auspackens befanden. Einige der Waren standen auf dem Tisch, manche waren noch in den Tüten und ein paar hatte jemand in den Kühlschrank verstaut. Matt war einkaufen gegangen.
Sie schaute in die Tasche, die direkt neben ihr stand und holte vier Hummerschwänze in Knoblauchmayonnaise, ein Päckchen Lachs und eine gemischte Platte mit Meeresfrüchten heraus. Sie versuchte, die Preise nicht zu beachten.
Dann schenkte sie sich ein Glas Weißwein ein und begann, die Tüten auszupacken und die Sachen zu verstauen, bevor alles zerlief. Von oben drang kein Geräusch herab, also vermutete sie, dass die Mädchen nicht da waren. Nebenan im Wohnzimmer hörte sie den Fernseher dröhnen und wusste genau, wo Matt war: auf dem Sofa eingeschlafen.
Zwanzig Minuten später stellte sie die Hummerschwänze mitsamt einem Baguette und einer Schüssel knackigem grünen Salat auf ein Tablett. Er mochte nicht Trevor sein, aber es war ein Anfang.
Am nächsten Morgen wachte Ally herrlich spät auf und dachte daran, dass am Tag zuvor etwas Bedeutendes geschehen war. Sie hatte beschlossen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Voll neuen Tatendrangs stand sie auf, bevor Matt sie ablenken konnte. Beim Anziehen fragte sie sich einen Sekundenbruchteil lang, ob die Zeit zwanzig Jahre zurückgestellt worden
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