Lieblingslied: Roman (German Edition)
wusste sie gar nicht mehr, dass ich überhaupt Gitarre spielen konnte.
Natürlich fragte ich mich von Zeit zu Zeit, ob mein Job all diese Opfer wert war. Zweifel, die sich angesichts der Höhe meines Gehalts schnell erledigten. Es ist die einzige Möglichkeit vorwärtszukommen, sagte ich mir dann. Und es ist schließlich nicht für immer. Irgendwann wird es ruhiger werden .
Aber das Leben wurde nicht ruhiger.
Kurz nach Hopes fünftem Geburtstag, lud Jessica mich während einem meiner New-York-Besuche zum Essen ein und überraschte mich mit dem ersten, indirekten Lob. Ähnliches hatte ich aus ihrem Mund jedenfalls noch nie gehört. »Ich täusche mich selten in einem Menschen, Ethan. Ich hatte Sie als Kreativen auf der Rechnung, als einen Schaumschläger, der sich in einer leitender Position nie würde behaupten können. Sie haben mich Lügen gestraft.«
»Danke«, sagte ich schlicht.
»Keine Ursache. Sie haben sich wirklich als Teamplayer erwiesen, Ethan. Ich weiß, ich kann mich darauf verlassen, dass sie alles Erdenkliche tun, um die Geschäfte erfolgreich abzuwickeln. Aus diesem Grund ernenne ich Sie zu meinem neuen Vizepräsidenten für das Operative Geschäft im Westen.«
Auch wenn das wie eine Beförderung klang, wurde auf diese Weise nur meine Position als Geschäftsführer aufgewertet, um den Weg für eine weitere Restrukturierung freizumachen. Um in mehreren Filialen, unter anderen auch in San Francisco, weitere Entlassungen durchführen zu können, hatte man mich zum Manager sämtlicher Märkte westlich des Mississippi befördert. In der Folge wurden mehrere Stellen gestrichen und die Aufgaben mir übertragen. Die zusätzlichen Verantwortungsbereiche allerdings tauchten in der Stellenbeschreibung nicht auf, mussten also auch nicht honoriert werden. In meinen Zuständigkeitsbereich fielen noch mehr Meetings mit Kunden, weitere tägliche Telefonkonferenzen mit New York und zusätzliche finanzielle Etats. Es wurde immer mehr und mehr und mehr und mehr …
Im Lauf der Zeit hatte Anna immer weniger Verständnis für die Zeit, die meine Arbeit verschlang, auch wenn wir beide die finanziellen Vorteile meiner harten Arbeitstage genossen. »Ich weiß nicht, weshalb du kaum noch zu Hause bist«, bekam ich dann zu hören. »Du arbeitest viel zu viel. Verlangt man das eigentlich von dir oder ziehst du deine Arbeit der Familie vor?« Die letzte Bemerkung tat weh. Ich hasste es, von meinem Job aufgefressen zu werden. Der einzige Grund, weshalb ich weitermachte wie bisher, waren Anna und Hope. Und da wir uns eine hohe Hypothek und die Kosten für zwei Autos aufgeladen hatten, war es noch wichtiger geworden, diesen Job zu behalten.
»Es kann nur besser werden«, versicherte ich ihr. »Wir müssen nur noch durchhalten, bis die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Lange kann es nicht mehr dauern. Dann kann ich mehr Mitarbeiter einstellen und die Arbeit delegieren.« Aber die wirtschaftliche Situation dauerte an, und es war kein Ende abzusehen. Ich versank in Arbeit, und Anna beklagte sich.
In dem Jahr, als Hope sieben wurde, eskalierte die Situation. Die meisten Unternehmen, für die wir arbeiteten, hatten ihre Werbeetats drastisch gekürzt, um die Ausgaben während der Wirtschaftsflaute zu minimieren. Wir mussten um jeden hinzugewonnenen Kunden und jeden Cent kämpfen. Das bedeutete mehr Planung, mehr Meetings, mehr Besuche bei Kunden, und mehr Anrufe von Jessica, die mich drängte, meine Teams anzuhalten, noch schneller zu arbeiten.
Aber ich hatte nicht nur im Büro Stress. Auch zu Hause konnte ich mich nicht entspannen. Selbst an den freien Samstagen, die ich mit der Familie verbringen konnte, war ich oft in Gedanken bei meiner Arbeit. Mich quälten Probleme mit Kunden und schließlich erneute Gerüchte über bevorstehende Entlassungen.
In jenem Jahr hatten Anna und ich häufig hitzige Auseinandersetzungen. Auslöser waren meist nichtige häusliche Fragen. Der dümmste Streit entbrannte über die Wandfarbe für die Renovierung des Schlafzimmers.
Es begann an einem Donnerstagabend. Anna wollte meine Meinung zu der Farbe hören, in der die Wände neu gestrichen werden sollten. »Nimm die Farbe, die dir gefällt«, sagte ich. »Ist mir nicht wichtig. Ich schlafe dort doch nur.«
Die Bemerkung brachte sie sichtlich auf die Palme. Dennoch ließ sie sie unkommentiert. Am darauffolgenden Abend kam sie mit einigen Farbproben in mein Arbeitszimmer. »Darf ich stören?«
Ich war dabei, Beurteilungen über meine
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