Lieblingslied: Roman (German Edition)
Geburtstagsdatum nicht. Und weil alle mit ihr feiern möchten, haben wir die Feier vorverlegt.«
»Ach ja, richtig. War mir nur kurz entfallen«, log ich. »Hatte ich doch gelesen.«
»So? Jedenfalls solltest du dir unbedingt den Nachmittag freinehmen. Hast du schon einen halben Tag Urlaub eingereicht?«
»Das erledigt meine Sekretärin gleich morgen früh.«
»Vergiss es nicht. Bitte! Du hast schon die Schulaufführung, eine Tanzvorstellung und ein Dutzend anderer Ereignisse verpasst, bei denen sie dich dabeihaben wollte.«
»Ich weiß. Ich werde da sein. Versprochen.«
Anna ließ das vorerst unkommentiert. Was hatte ich ihr im Lauf der Jahre schon alles versprochen? Und wie viel hatte ich gehalten? Ich versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Abgesehen von einigen Kleinigkeiten, bei denen ich versagt hatte, erfüllte ich pflichtbewusst ein wesentlich wichtigeres Versprechen: für meine Familie zu sorgen, ihr zu geben, was sie brauchte. Machte das nicht alles wieder wett?
»Das würde ich dir auch raten«, sagte Anna schließlich. Aber in ihrer Stimme schwangen leise Zweifel mit.
Zwei Tage später, nach meiner Rückkehr nach San Francisco, saßen Anna und ich spätabends noch auf der Terrasse und versuchten, unsere parallel verlaufenden Existenzen in Übereinstimmung zu bringen. Sie erzählte mir von Hope, und ich berichtete von meiner Reise und welche Geschäfte ich abgeschlossen hatte.
Schließlich erkundigte sie sich, ob ich mir den Nachmittag freigenommen hätte, an dem Hope ihren Geburtstag feiern wollte. Ich hatte es vergessen, behauptete jedoch das Gegenteil und nahm mir insgeheim vor, das Versäumte am nächsten Morgen im Büro nachzuholen.
»Danke.« Anna klang erleichtert. »Außerdem solltest du in Ruhe ein Geschenk für sie besorgen. Sei mir nicht böse, aber ich habe es satt, Geschenke zu kaufen und zu behaupten, sie kämen von dir. Ich glaube, Hope durchschaut das mittlerweile. Du musst ihr zeigen, dass sie dir wichtig ist.«
»Du hast ja recht. Was wünscht sie sich denn diesmal? Puppen, ein Fahrrad?«
»Ethan, du solltest dringend mehr Zeit mit deiner Tochter verbringen. Dann müsstest du diese Fragen nicht stellen.«
Offenbar war es später geworden, als ich dachte, und ich war erschöpft. Jedenfalls ärgerte ihre Bemerkung mich mehr als sonst. »Du weißt nicht, was du redest!«, brauste ich auf. »Ich würde liebend gern mehr Zeit mit Hope verbringen. Stattdessen arbeite ich bis zum Umfallen, damit ihr das Leben genießen könnt, an das ihr euch so gewöhnt habt.«
Anna richtete sich in ihrem Gartenstuhl steif auf. Ihre Augen wurden schmal. »Was soll das heißen?«
»Das weißt du genau. Während ich mich jeden Tag abrackere, sitzt du gemütlich zu Hause, gehst mit Freundinnen essen, machst deinen Mittagsschlaf, bist frei wie ein Vogel – ohne jede Verantwortung.«
Anna lief im Schein der Terrassenbeleuchtung rot an. In einem Zeichentrickfilm wären in diesem Moment Dampfwölkchen aus ihren Ohren gestiegen. » Jemand muss sich schließlich um die Erziehung unseres Kindes kümmern! Ist das keine Verantwortung?«
»Oh, natürlich!«, bemerkte ich süffisant. »Das ist sehr wichtig. Sobald der Schulbus sie am späten Nachmittag wieder zu Hause abgeliefert hat, heißt das. Aber was ist mit dem übrigen Tag? Was ist aus deinen Plänen geworden, wieder zu arbeiten, nachdem Hope in den Kindergarten gekommen ist, Anna? Sie ist jetzt in der dritten Klasse ! Also beklag dich bitte nicht, dass ich so wenig zu Hause bin, solange du nicht bereit bist, dazu beizutragen, dass sich das ändert. Denn eines garantiere ich dir: Wenn ich in meinem Job eine langsamere Gangart anschlage, zieht die Axt jemand anderen aus dem Hut. Kein Mensch ist unersetzlich. Und bei der gegenwärtigen Wirtschaftslage stehen die Bewerber hinter mir schon Schlange. Ich bezweifle, dass das Arbeitslosengeld das alles hier bezahlen kann.«
»Natürlich kann es das nicht!«, zischte sie. »Ich möchte nur… Ich will …« Sie verstummte. Ihr wütender Ausdruck verschwand. Sie wirkte plötzlich niedergeschlagen.
Ich hatte keine Ahnung, ob sie nicht wusste, was sie sagen sollte, oder ob sie es nur nicht aussprechen wollte. »Du willst nur was, Anna?«, nahm ich den Faden auf. »Das Haus, den gepflegten Rasen, die neuen Autos und mich ständig an deiner Seite? Alles kann man nicht haben … fürchte ich.«
Annas Züge wurden hart. Sie sah mich verächtlich an. Dann ballte sie drohend die Fäuste und stand auf. »Ich
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