Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieblingsmomente: Roman

Lieblingsmomente: Roman

Titel: Lieblingsmomente: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu
Vom Netzwerk:
unglaublich klein zu sein. Zum Glück folgt er mir nicht, und ich kann in aller Ruhe wieder zur Vernunft kommen.
    Hastig trinke ich etwas Orangensaft aus einer Tasse mit dem VfB-Stuttgart-Logo, die hoffentlich für den allgemeinen Gebrauch bestimmt ist. Wie um alles in der Welt soll ich ihm jetzt noch in die Augen sehen? Einen kurzen Moment denke ich an Oliver und was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, was gerade passiert ist. Würde er Tristan anschreien? Ihm sagen, er solle seine Hände von mir lassen?
    Ich mache mich auf die Suche nach meinem Handy und entdecke weder eine Nachricht noch einen Anruf in Abwesenheit. Mir fällt seine schöne Begleitung wieder ein. Wie würde ich mich fühlen, wenn ihm das Gleiche passieren würde? Jetzt. Genau jetzt. Er und sie in einem Hotel in Hamburg, seine Lippen an ihrem Nacken, seine Hand unter ihrem T-Shirt. Der Gedanke sollte mich quälen, aber in Wirklichkeit tut sich nicht sonderlich viel in meinem Inneren. Außerdem würde Oliver mich nicht betrügen. Oder? Was, wenn genau das der Grund für sein gesteigertes Desinteresse an mir wäre? Vielleicht läuft schon längst etwas zwischen ihm und dieser Frau. Er ist oft weg, hat keine Zeit für mich oder uns. Er will mich lieber nicht dabeihaben. Das wäre doch die logische Schlussfolgerung. Aber wenn ich ehrlich bin, rede ich mir das alles gerade doch nur schön, um das schlechte Gewissen in meinem Inneren zu betäuben. Ohne Erfolg.
    Ich tapse zurück in die Küche und lasse mich, erdrückt von meinen Gedanken, am Tisch nieder. Wann ist das alles so kompliziert geworden? Wann habe ich bemerkt, dass ich mehr will? Und wann genau war ich mit meinem fast perfekten Leben nicht mehr zufrieden? Ich frage mich, wann ich die Kontrolle über mein Herz in Tristans Hände gegeben habe. Er könnte alles mit mir machen, und ich würde nicht meckern, was mich sehr erschreckt. Ich bin kein Teenager mehr, und eigentlich sollte ich selber Herrin meiner Gefühle sein. Aus dem Alter der wilden Schwärmerei bin ich doch schon längst herausgewachsen. Wieso lasse ich ihn diese Gefühle in mir auslösen?
    Viel wichtiger, jetzt und hier am Küchentisch, ist aber: Soll ich bleiben? Soll ich mich wieder neben ihn legen? Oder lieber im Wohnzimmer oder hier in der Küche warten? Sollte ich vielleicht doch lieber gehen? Wieso kommt mir diese Situation wie ein Multiple-Choice-Test vor, auf den ich nicht vorbereitet bin und bei dem es vielleicht auch gar keine richtige Antwortmöglichkeit gibt? Vielleicht sollte ich einfach an mich denken. Aber kann ich wirklich all den Gefühlen in meinem Inneren nachgeben, mich an die erste Stelle setzen und mir holen, wonach es mich gelüstet? Nein.
    Langsam stütze ich mein Kinn in meine Hände und schließe die Augen. Wieso bin ich nicht so? Selbst jetzt, in seiner Wohnung mit einer Art Freifahrtschein, traue ich mich nicht. Das Leben ist unfair – es packt dich, schüttelt dich und schenkt dir deine heimlichsten Träume. Allerdings erwartet es im Gegenzug auch genug Mut, das anzunehmen.
    Ich Feigling.
    »Hey …«
    Ich fahre erschrocken hoch und zerre mir dabei vermutlich alle Muskeln, die im Nacken eines Menschen verlaufen. Die eher ungemütliche Haltung, die ich beim Einnicken auf dem Tisch eingenommen habe, ist nicht empfehlenswert, so viel steht fest. Inzwischen ist es draußen ganz dunkel geworden, und ich brauche einige Momente, um wieder zu mir zu kommen und zu verstehen, wo ich bin. Und warum.
    Tristan steht neben dem Tisch und schaut zu mir herunter. Inzwischen sieht er besser aus, als ich mich fühle.
    »Ich habe eine Couch, die kann man ausziehen. Du musst nicht am Küchentisch schlafen, weißt du?«
    Ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen. Es geht ihm schon wieder deutlich besser, das kann ich sehen.
    »Ich bin einfach eingeschlafen.«
    Ich strecke mich vorsichtig und versuche, meinen Körper langsam wieder an eine aufrechte Position zu gewöhnen.
    »Komm, ich richte dir die Couch, damit du schlafen kannst.«
    Kein Vergleich zu dem Tristan von vor einigen Stunden. Er wirkt so viel erholter, und die Schmerzen scheinen erträglicher zu sein. Ich muss lächeln, einfach nur, weil es ihm besser geht. Das freut mich. Seine Hand greift nach meiner, und er zieht mich langsam vom Stuhl. Zum Glück halten meine Beine das aus, und ich klappe nicht direkt wieder um. Ich bin nicht sicher, wie spät es ist, aber vermutlich tanzt Beccie gerade durch einen Club in der Stadt.
    Tristan will mich über den Flur

Weitere Kostenlose Bücher