Lieblingsmomente: Roman
entspannen, aber das will mir alles nicht gelingen. Mein Lächeln sitzt, so unnatürlich, wie es sich anfühlt, wahrscheinlich ziemlich schief in meinem Gesicht, und eine innere Verkrampfung ergreift plötzlich Besitz von meinem Körper. Tristan scheint das alles nicht zu bemerken. Er sieht mich nicht einmal an, nimmt nur mein Glas vom Tisch und geht damit wieder aus dem Wohnzimmer. Etwas verwirrt folge ich ihm über den Flur, wo sein Fahrrad etwas sperrig in der Mitte steht, ein Surfbrett an der Wand lehnt und ein Skateboard neben dem Schuhschrank die Bretter vervollständigt. Dann betreten wir die Küche. Er kippt meinen Orangensaft in die Spüle und wäscht das Glas sorgfältig aus. Das ist deutlich, und ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Ich bin unerwünscht. Und das tut weh.
»Du hättest auch einfach was sagen können.«
Natürlich habe ich nicht vergessen, was ich, ohne es zu wissen und vor allem ohne es zu wollen, getan habe und wie sehr es ihn verletzt hat. Ja, ich habe mich aus Versehen zwischen ihn und Helen gedrängt und ihn daran erinnert, dass es sie gibt und dass er sie hintergeht, wenn er mir in einem ausverkauften Jazzclub ein Liebeslied widmet. Aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, sich so zu verhalten oder mich so zu behandeln. Ich bin hier, weil sonst niemand kommen wollte oder konnte. Es war seine Idee, nicht meine. Ich bin vermutlich ohnehin die letzte Wahl.
»Hallo? Tristan?«
Er trocknet das Glas ab und stellt es zurück in den Schrank über dem Herd, wo ich es herhatte. Dabei gibt er sich große Mühe. Seine Bewegungen sind langsam und bedacht. Er dreht das Glas in eine scheinbar perfekte Position und schließt die Schranktür dann wieder.
»Du kannst ein anderes nehmen.«
Seine Stimme ist vom Schlaf noch tief und rau. Und fremd.
»Nein, danke. Ich werde jetzt gehen.«
Und genau das werde ich auch. Mir ist das zu blöd. Aber ich komme nicht so weit, wie ich mir vorgenommen habe.
»Nein. Du sollst nicht gehen. Nur ein anderes Glas nehmen. Bitte.«
Er setzt sich müde an den Küchentisch und stützt den Kopf in seine Hände. Gerade wollte ich ihn noch ohrfeigen, jetzt will ich ihn in den Arm nehmen.
»Ich wusste nicht, dass es eine Gläserregel gibt.«
So leicht will ich es ihm dann doch nicht machen und verschränke die Arme vor der Brust. Migräne hin oder her, ein kleines Dankeschön hätte ich mindestens verdient. Und das nicht nur von Björn.
»Gibt es nicht. Aber das ist Helens Glas.«
Natürlich. So langsam, aber sicher habe ich Helens übergroße Präsenz satt. Helen hier, Helen da, Helen überall.
»Ach ja? Nun, das ist ja schön und gut, aber weißt du was? Wieso bin ich dann hier und nicht sie? Wieso kümmert sie sich nicht um dich? Helen? Nein! Die berichtet gerade aus irgendeinem gefährlichen Krisengebiet und holt sich dafür demnächst einen verdammten Fernsehpreis! Rufen wir doch lieber die dämliche Layla, die hat am Wochenende bestimmt nichts Besseres zu tun, als hier Däumchen zu drehen!«
Ich will gar nicht schreien, aber bei uns Frauen passiert das manchmal, da wird man lauter und lauter, und so wie ich jetzt klinge, kann Leona Lewis sich ihr Organ demnächst sonst wohin schieben. Tristan verzieht das Gesicht. Verdammt, ich habe seine Kopfschmerzen für einen kurzen Moment vergessen. Und wieso bin ich noch mal so wütend? Ach ja.
»Wenn Helen so toll und ihr Glas so verdammt besonders ist, dann will ich es gar nicht haben. Aber dann soll sie auch ihren tollen Hintern hierherbewegen und sich um ihren Freund kümmern.«
Ich habe meine Stimme wieder halbwegs im Griff, und doch kann ich das aggressive Zischen nicht abstellen. Tristan lässt mich nicht aus den Augen, aber ich sehe, dass er mit jedem meiner Sätze wütender wird. Irgendwann schlägt er mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Halt den Mund!«
Ha! Das fehlt gerade noch!
»Oliver würde mich nicht einfach so zurücklassen, wenn es mir dreckig geht!«
»Halt. Den. Mund!«
Er steht auf, und seine Größe wirkt auf einmal ziemlich einschüchternd auf mich, vielleicht ist es besser, jetzt wirklich auf Stumm zu schalten.
»Du hast kein Recht, so über sie zu sprechen! Du kennst sie nicht mal!«
Ich will schnell etwas erwidern, will ihm zeigen, dass ich sehr wohl in der Lage bin, mich verbal mit ihm zu messen, aber so spontan will mir einfach nichts einfallen. Immerhin hat er recht, mit dem was er sagt. Ich sehe, dass seine Hände zittern, und er tut mir sofort wieder
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