Lieblingsmomente: Roman
ich denke es nicht nur, ich weiß es. Wie kannst du nur dabei zusehen, wie er dich so von oben herab behandelt und dich …«
»Und mich?«
»Ich an deiner Stelle würde ihn auf den Mond schießen!«
»Und dann?«
»Damit abschließen.«
Das sagt der Richtige. Als wüsste er nicht, wie schwer es ist, mit einer langjährigen Beziehung einfach so abzuschließen.
»So einfach geht das nicht. Wir haben eine gemeinsame Wohnung, ein gemeinsames Leben.«
»Du hältst an ihm fest, weil ihr eine gemeinsame Wohnung habt?«
Er macht einen Schritt auf mich zu und sieht mich ernst an.
»Das ist lächerlich, Layla. Er hält dich auf. Er bremst dich. Dein Leben könnte ganz anders aussehen.«
Jetzt reicht es.
»Sagt der Mann, der seine tote Freundin nicht loslassen kann.«
Stille. Ich höre nur noch das leise Klirren des Geschirrs an den Tischen hinter uns. Tristan scheint nicht mehr zu atmen, und ob sein Herz noch schlägt, weiß ich auch nicht. Vermutlich habe ich es ihm mit meinem Spruch gerade ohnehin durchbohrt, gebrochen war es schon. Am liebsten würde ich das Gesagte zurücknehmen.
»Ich …«
»Okay, wir können gehen.«
Oliver tritt neben Tristan, und ich sehe, wie unterschiedlich die beiden sind. In allem. Sie würden niemals Freunde werden. Das hat nicht mal etwas mit mir zu tun. Sie könnten es einfach nicht, und ich sehe es so überdeutlich. Sie sind wie Tag und Nacht.
»Gehen wir?«
Oliver schiebt sich zwischen Tristan und mich. Als wäre Tristan nicht da, und irgendwie ist er es auch nicht mehr. Ich will und muss mich entschuldigen für die Gemeinheit, die ich gar nicht so gemeint habe, aber der Moment dafür ist vorbei. Ich sehe ihn an, hoffe, dass er weiß, dass es mir leidtut, und er sieht zurück.
»Einen schönen Abend noch.«
Damit lässt er mich stehen.
»Wieso ist Oli nicht mitgekommen?«
Beccie schreit mir die Frage ins Ohr, damit ich sie überhaupt verstehen kann. Noch immer ist mein Talent zum Lippenlesen rudimentär.
Wir stehen am Rand der Tanzfläche und versuchen, uns zu unterhalten, indem wir die Lautstärke der Musik übertönen. Um uns herum tanzen und springen Jugendliche, die mich durch ihren ewig jungen Teint daran erinnern, heute Abend mal wieder meine Anti-Cellulite-Creme aufzutragen.
Ich trage mein Werbe-T-Shirt und die Kamera um den Hals. Jeder Job ist gerade willkommen, da ich nicht genug Ablenkung von meinem Privatleben bekommen kann. Aber davon habe ich Beccie nichts erzählt. Noch nicht. Sie würde mir erklären, wie dumm ich bin und wie toll Oliver sei, wie perfekt wir zusammenpassen. Ich bin nicht in der Stimmung, das zu hören. Seit fast vier Tagen wohne ich in meinem Büro und schlafe auf einer Couch, auf der ich mich vielleicht im Alter von vierzehn hätte ausstrecken können. Das ist der Preis der Freiheit, wie ich annehme. Aber ich kann und will mich nicht beklagen, denn es fühlt sich irgendwie gut an. Richtig. Auch wenn die erste Nacht nicht so einfach war. Mein Kopf hat ständig verschiedene Versionen meiner Zukunft durchgespielt: Ich alleine in einer kleinen Wohnung und acht Katzen, die alle irgendwie gleich aussahen und mich nachts umbringen wollten. Wie gesagt, Katzen mögen mich nicht. Ich habe mich auf einer Farm in Afrika gesehen, verheiratet mit einem Massai-Krieger. Oder auf einer Demonstration gegen den Ausbau des Bahnhofs, mit einem strengen Kurzhaarschnitt und Buttons gegen Atomkraft auf meiner Jacke. Und nur ganz selten mit Tristan am Strand in Südfrankreich, wie er mir das Surfen erklären will. Das war aber einfach zu schön, um wahr zu werden. Ich habe seit dem Abendessen im Primafila nichts mehr von ihm gehört oder gelesen.
Das alles hat mir anfangs Angst gemacht, weil ich mir plötzlich so alleine vorkam. Einsam. Ich war kurz davor gewesen, Oliver anzurufen, aber nachdem er mir geholfen hatte, das Wichtigste aus unserer Wohnung in mein Büro »zwischenzulagern«, bis ich bei meiner angeblichen Freundin in die WG ziehen konnte, hatte er sich auch nicht gemeldet. Das habe ich auch nicht erwartet, aber ich habe auch nicht erwartet, dass er so vollkommen kampflos aufgeben würde. Ohne einen Anruf, eine Nachfrage. Ohne ein Lebenszeichen. Er gab mir recht.
»Wo ist Oli?«
Beccie schreit mir erneut ins Ohr. Sie mag Oliver, und ich bringe es einfach nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ich ausgezogen bin, mit nur ein paar Kartons, einer Reisetasche und meinem Kuschelkissen.
Sie steht tanzend vor mir und zappelt wie wild mit den Armen, als
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