Lieblingsmomente: Roman
knipse so lange, bis meine zweite Speicherkarte voll ist. Beccie folgt mir wie ein treuer Hund, der spürt, dass ich leide, und schließlich gönnen wir uns an der Bar einen Drink.
»Sag mal, ist alles okay mit dir?«
Ich nicke. Vielleicht etwas zu ruckartig. Wieso benehme ich mich so? Wem mache ich etwas vor? Was ärgert mich so sehr? Ist es wirklich wegen Tristan und Nina? Natürlich ist es das. Tristan und Layla müsste es eigentlich heißen, verdammt! Ich sehe zu Beccie, die mich besorgt ansieht. Sie kennt mich zu gut, und ich befürchte, meine Reaktion erinnert zu sehr an das eifersüchtige Schulmädchen von früher, dem gerade der Schwarm ausgespannt wurde. Also entscheide ich mich für ein Lächeln.
»Ich war sauer wegen dem T-Shirt.«
Lüge. Beccie sieht mich noch immer an. Bitte, bitte, glaub es mir. Ihre Lippen verziehen sich zu einem Lächeln.
»Das war ja auch doof.«
Sie greift in ihre winzig kleine Handtasche und zieht ein noch kleineres weißes Bündel hervor.
»Zieh das an.«
»Was ist das?«
»Ein Notfall-Shirt.«
Beccie ist einfach unglaublich. Ich drücke sie fest an mich und will sie einfach nur festhalten. Eines Tages, und das schon bald, muss ich es ihr sagen. Sie hat meine absolute Aufrichtigkeit verdient, nicht meine feigen Lügen. Ich muss sie ansehen und sagen: »Oli und ich, das ist nicht mehr«, und ich muss ihr sagen, was mit Tristan ist – und war, obwohl ich damals genau wusste, dass sie ihn gut findet. Ich hoffe nur, sie will dann noch etwas mit mir zu tun haben. Sie ist immerhin alles, was mir im Moment noch bleibt.
»Danke!«
»Ach, Süße, das ist nur ein T-Shirt. Schon okay.«
Beccie weiß manchmal einfach, was sie sagen oder tun muss, damit es mir besser geht.
»Pass nur auf, dass dich das nächste Mal keiner von vorne erwischt. Das Shirt ist weiß …«
Und dann gibt es die glorreichen Momente, in denen sie genau das nicht kann. Aber auch dafür liebe ich sie. Zu gerne würde ich ihr alles erzählen. Aber das kann ich nicht, nicht jetzt. Also schnappe ich mir das Shirt, lasse meine Kamera in ihren sicheren Händen und wühle mich durch die Menge in Richtung Damentoilette.
Dort hat sich wie so oft eine beträchtliche Schlange gebildet. Daran bin ich gewöhnt. Manchmal darf ich die Toilette der Belegschaft benutzen, das spart Zeit – so wie heute. Ich schiebe mich also an den jungen Damen vorbei in den Backstage-Bereich. Natürlich ernte ich merkwürdige Blicke – nicht nur wegen des scheinbar unbefugten Zutritts, sondern auch wegen meines für diesen Bereich überraschend unspektakulären Outfits. Aber auch das bin ich gewöhnt. Der Trick bei meinem Job ist, das habe ich schnell gelernt, dass man nie besser aussehen darf als die Partymeute. Sie will fotografiert werden und sich nicht eingeschüchtert fühlen, weil der Fotograf besser aussieht. Aber machen wir uns nichts vor: Bei mir ist die Gefahr da nicht allzu groß. Selbst wenn ich einen guten Tag erwische, gibt es auf jeder Party genug Frauen, die aussehen, als wären sie gerade von Heidi Klums Topmodelbühne in diesen Club gestolpert. Ich sehe aus, als würde ich arbeiten.
Zu meiner Überraschung hat sich aber auch vor dem Backstage-Klo eine kleine Schlange gebildet. Ich lehne mich also an der Wand an, übe mich in Geduld und überlege mir, wie ich meine neue, noch nicht vorhandene Wohnung einrichten könnte.
»Hey.«
Ich bin so sehr in Gedanken, dass ich es nicht bemerkt habe, wie sich Tristan neben mich gestellt hat. Ich kann nur erahnen, auf wen er hier wartet, und das gefällt mir nicht.
»Hi.«
Mehr habe ich ihm im Moment nicht zu sagen. Besser gesagt: Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Irgendwie bekomme ich den Typen neben mir, der auf seine neue Freundin wartet, nicht mit dem Tristan zusammen, der mir auf dem Weinberg ein Ständchen gebracht hat, und »Layla«für mich gespielt hat. Mit meinem Tristan.
»Sorry noch mal wegen dem Shirt.«
»Kein Problem.«
Ich winke mit Beccies T-Shirt und hoffe, darin gleich nicht wie eine komplette Idiotin auszusehen. Immerhin haben wir beide nicht zwingend die gleiche Figur.
»Nina scheint … nett.«
Das wollte ich nicht sagen, aber nun ist es zu spät, also kann ich ihn jetzt auch genauso gut ansehen. Er nickt, will mir aber nicht so recht zustimmen, habe ich den Eindruck.
»Wie alt ist sie? Zwölf?«
Auch das wollte ich nicht sagen. Moment. Nein, das wollte ich sagen.
»Sie ist neunzehn.«
»Oh, wow! Dann hat sie also schon ihren
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