Lieblingsmomente: Roman
zu fühlen. Ich spüre Hände an Körperstellen, die eher privater Natur sind, Ellenbogen auf Gesichtshöhe, werde von links nach rechts geschubst und hoffe sehr, nicht zu fallen. Wobei fallen in dieser Menge kein treffendes Wort wäre, ich würde den Boden vermutlich ohnehin nicht berühren. Ich atme tief durch und versuche, die Ruhe zu bewahren. Panik würde jetzt ohnehin nichts bringen. Doch dann zerrt mich plötzlich irgendwer zu Boden. Ich lande auf den Knien, meine Kamera baumelt verdächtig nah an den Schuhen tretender Jugendlicher. Ich versuche, sie irgendwie zu schützen, muss dafür aber in eine embryonale Schutzhaltung. Ich muss hier raus. Und zwar schnell.
Kriechend bekomme ich vom Chaos über mir nicht besonders viel mit. Ich bin auf Bodenhöhe irgendwie 20000 Meilen unter dem Meer. Aber hier unten ist es leider nicht viel ruhiger als oben. Das Getümmel über mir wird etwas ruppiger, und ein Mädchen tritt mir bei meinem Versuch, gleichzeitig meine Kamera zu schützen und nicht umzukippen, auf die Hand. Falls es mir nicht aufgefallen sein sollte, heute ist der Tag wirklich für die Katz! Da packt eine Hand meine Schulter und zerrt mich zurück an die Oberfläche, bis ich wieder auf meinen Füßen stehe. Jemand zieht mich entgegen meinem geplanten Fluchtweg nach hinten, bis ich hart gegen die Wand pralle, und eine dunkle Gestalt stellt sich sehr dicht vor mich. Ich sehe nach oben in Tristans angespanntes Gesicht, und sofort macht sich Erleichterung in meinem Körper breit. Sicherheit. Er lehnt sich nach vorne, und seine Wange streift meine.
»Bist du okay?«
Ich nicke schnell und kann mich auf nichts anderes als seinen Körper konzentrieren, der zwischen mir und der Menge steht – und mir sehr nah ist.
»Bleib genau hier, verstanden?«
Wieder nicke ich, weil es wie ein Befehl klingt und weil mein Herz gerade ganz wild schlägt und ich froh bin, mich an diese Wand lehnen zu können. Meine Knie sind zittrig, und die Stimmung um uns herum ist noch bedrohlicher geworden.
Tristan löst sich von mir, erkämpft sich einen Weg zurück in die Menge, wo noch andere Mädchen panisch nach einer rettenden Hand suchen. Tristan und ein paar Kollegen versuchen etwas Ruhe in das Gedränge zu bekommen, und es gelingt ihnen soweit ganz gut. Einige Jungs sind scheinbar eingeschüchtert von Tristans Größe, was ich von meiner Position an der Wand zu beobachten meine. Es wird ein wenig ruhiger, und Tristan schaut mit bösen, durchdringenden Blicken um sich, die ihre Wirkung nicht zu verfehlen scheinen. Langsam bringt er andere Mädchen an die Seite, die erleichtert und kurzatmig versuchen, nicht die Nerven zu verlieren. Dann kommt Tristan zurück zu mir. Er stellt sich wieder dicht vor mich hin und sieht mich direkt an. Er muss die Frage nicht aussprechen, ich lese sie in seinem Blick. Er will wissen, ob es mir gut geht, und ich nicke zwar, weil ich ihn nicht beunruhigen möchte, aber in Wahrheit kippe ich gleich um und meine Hand tut höllisch weh. Manche Frauen sollten wissen, dass die Pumps an ihren Füßen verkappte Waffen sind.
Jemand prallt von hinten gegen Tristan, sein Becken wird gegen meines geschoben, und wir berühren einander plötzlich an Körperstellen, von denen ich vorgestern Nacht geträumt habe. Unsere Gesichter sind nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und es fühlt sich plötzlich ein kleines bisschen so an, als würde die Welt stillstehen. Ich unterdrücke den Impuls, meine Hände an seine Hüften zu legen, um ihn an mich zu ziehen … und wenn ich nicht sofort wieder anfange zu atmen, werde ich tatsächlich gleich noch ohnmächtig. Seine Hände liegen an der Wand neben meinen Schultern, und er schirmt mich mit seinem Körper von der noch immer aufgebrachten Menge ab. Von Zeit zu Zeit muss Tristan sich anstrengen, um nicht umgestoßen zu werden. Ich weiß, er sollte jetzt eigentlich irgendwelche Mädchen aus der Menge ziehen, aber ich will nicht, dass er geht. Egal was hinter Tristans Rücken passiert, ich bin hier sicher. Sein Blick liegt ruhig auf meinem Gesicht, aber ich sehe, wie konzentriert er ist, seine Kiefermuskeln sind angespannt, und sein Atem geht schnell. Ich halte seinen Blick, und ein kurzes Lächeln huscht über meine Lippen. Er bemerkt es, und sein Blick wird etwas weicher. Er hat unverschämt schöne Augen.
Im hinteren Bereich wird endlich eine Doppeltür nach oben geöffnet, und so wird Platz auf der Tanzfläche geschaffen. Ich spüre die Nachtluft ins Innere
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