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Lieblingsmomente: Roman

Lieblingsmomente: Roman

Titel: Lieblingsmomente: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu
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wahrscheinlich nach mir gerufen und versucht, meine Hand zu halten, aber er hätte nicht wie Tristan reagiert. Er ist nicht wie Tristan. Und vor allem ist er kein Held in strahlender Rüstung, der wütend und besorgt alles aus dem Weg schlägt, was sich ihm entgegenstellt. Hand aufs Herz: Er hätte das alles schon früh kommen sehen, hätte mich rechtzeitig aus der Schusslinie geholt und draußen von seinem Handy aus die Polizei angerufen, dann hätte er den Veranstaltern morgen einen bösen Brief geschrieben, bei Facebook eine Gruppe gegen solche Ereignisse gegründet und all seine Freunde dazu eingeladen. Er ist ganz einfach so, daran wird sich auch nichts mehr ändern. Das alles ist nicht zu verurteilen, aber er ist nicht Tristan. Ich habe auch keine solche Situation gebraucht, um das zu verstehen. Ich wusste es schon vorher.
    »Soll ich dich nach Hause fahren?«
    Ich weiß nicht, wie lange ich schon alleine an der Bar sitze oder was wirklich in der Zwischenzeit passiert ist. Ich bin nicht besonders gut im Abschätzen von Zeit, Entfernungen oder gar Gewicht. Ganz und gar nicht. Meine Bierflasche ist jedenfalls leer, wie auch der komplette Club. Nur noch Tristan steht da.
    »Klar.«
    Irgendwie ist alles noch nicht so ganz in mein Bewusstsein gesickert, was hier gerade geschehen ist. Es fühlt sich eher an, als hätte mir jemand eben ganz aufgeregt davon erzählt. Als hätte Beccie es mir erzählt. Beccie! O nein! Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit wir uns an der Bar verabschiedet haben, und wer weiß, wo sie sich befunden hat, als das Chaos losging.
    »Hast du Beccie gesehen?«
    Tristan nickt.
    »Sie war bei mir oben an der Tür. Ich bin rein, als das Chaos ausgebrochen ist.«
    »Also war sie draußen?«
    »Keine Sorge. Ihr ist nichts passiert. Komm, ich fahre dich nach Hause.«
    Ich atme erleichtert aus. Dann fällt mir etwas anderes ein.
    »Mit dem Roller?«
    In dem Fall wäre mir ein Taxi tatsächlich lieber. Ich glaube nicht, dass ich in der Lage bin, mich heute Abend in den Kurven an ihm festzuhalten. Das wäre zu viel. Ich bin auch nur ein Mensch.
    »Ich bin mit meinem VW-Bus hier.«
    »Bus? Das klingt gut.«
    Mir fallen die Fotos auf Facebook wieder ein.
    Der blaue VW-Bus ist eine sympathische Kreuzung aus Wohnzimmer und Auto. Er steht auf dem Parkplatz, in der zweiten Reihe, und der Innenraum ist mit viel Liebe eingerichtet. Als ich einsteige, fühlt es sich so an, als dürfe ich ein bisschen weiter in Tristans Welt eintauchen. Ich sehe Kleinigkeiten, die für mich jetzt schon typisch Tristan sind. Polaroidfotos von lachenden Freunden und schönen Momenten, die an der Seitenwand kleben, Erinnerungen, die er offensichtlich bei jeder Fahrt um den Block bei sich haben möchte. Am Rückspiegel hängt eine Kette mit einer kleinen Muschel als Anhänger, auf dem Armaturenbrett entdecke ich eine kleine Packung Surfbrett-Wachs, und im hinteren Teil sehe ich eine Gitarre, die schon deutlich bessere Zeiten erlebt hat. Es ist kein Kitsch, es ist kein Trash – es ist Tristan. Hier drinnen könnte er sicherlich auch leben, wenn er müsste oder dürfte, das sehe ich sofort. Mir wird bewusst, diese Fahrt im Bus könnte um einiges intimer werden als die Rollerfahrt vor einigen Tagen. Ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz und spüre, wie die Realität langsam wieder in meinen Körper zurückkehrt. Ich greife nach meinem Handy und bemerke vier Anrufe in Abwesenheit und drei SMS-Nachrichten. Vermutlich hat Oliver mitbekommen, dass etwas passiert ist, und will jetzt wissen, ob es mir gut geht. Ich checke meine Mailbox, während Tristan seine schwarze Jacke auszieht und in einem weißen T-Shirt neben mir Platz nimmt.
    Aber es ist nur Beccie. Und zwar jedes Mal. Voller Panik fragt sie nach, wo ich bin und ob ich es lebend aus der Hölle geschafft habe. Ihre Stimme klingt eine Oktave höher als sonst, und ich würde sie dafür am liebsten knutschen. Auch zwei der Kurznachrichten sind von ihr, nur eine ist von Oliver, und sofort überfällt mich ein Schuldgefühl. Er hat sich bestimmt große Sorgen gemacht – und ich? Ich genieße Tristans Nähe. Ich öffne die Nachricht.
    Oli Handy:
    Keine Milch mehr im Haus, auf dem Heimweg bitte besorgen!
    Sonst nichts. Wieso macht sich diese Kühle in meinem Inneren breit und vertreibt die Rührseligkeit, die Beccies Reaktion in mir ausgelöst hat? Und wieso lasse ich das zu? Schnell schreibe ich Beccie, dass es mir gut geht und dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht. Ich

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