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Lieblingsmomente: Roman

Lieblingsmomente: Roman

Titel: Lieblingsmomente: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu
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nach meiner Hand und zieht mich zurück zum VW-Bus, und ich habe keine Ahnung, wohin mich diese Fahrt in die Nacht führen wird. Aber ich kann es kaum erwarten, dort anzukommen.

Ich liege auf dem Dach von Tristans VW-Bus, den er vor mehr als zwei Stunden hier oben in den Weinbergen bei Rotenberg geparkt hat, und schaue auf die Landschaft unter mir. Mein Blick reicht bis über die Mercedes-Benz-Arena nach Bad Cannstatt. Die Arena schläft im Dunkeln, auch das Mercedes-Museum. Ich erfreue mich an den unzähligen Lichtern der Stadt, die noch immer in der Nacht funkeln, wie ein Teppich aus Sternen. Ich nehme einen Schluck Bier, und mein Blick wandert vom nächtlichen Stuttgart unter mir in den sternenklaren Nachthimmel über mir.
    »Ich frage mich immer, wieso andere Menschen Sternschnuppen sehen und ich nie.«
    »Du hast noch nie eine Sternschnuppe gesehen? Ernsthaft?«
    Tristan liegt neben mir und kann sich ein kurzes Lachen nicht verkneifen. Er stellt sein Bier neben sich ab und richtet sich leicht auf.
    »Ernsthaft.«
    Das ist wirklich wahr. Alle meine Freunde erzählen mir ständig, wie sie Sternschnuppen zählen und dann Wünsche ins Universum hinaussenden, während ich hier sitze und Sterne zähle, aber einfach keine fallenden leuchtenden imposanten Sternschnuppen sehe.
    »Noch nie?«
    »Noch nie. Gut, ich habe mal ein Flugzeug explodieren sehen und gedacht, es wäre eine Sternschnuppe. Also habe ich mir schnell was gewünscht und mich dann verdammt mies gefühlt, weil da Menschen gestorben sind.«
    »Das ist ja … total … morbide.«
    Er sieht mich mit großen Augen an.
    »Und total wahr.«
    Ich würde sagen, wir haben beide einen im Kahn. Wir sind nicht betrunken, noch nicht, aber wir sind angetrunken. Zum Glück sind wir alleine, falls wir uns also bis auf die Knochen blamieren, wird es niemand bemerken. Das entspannt ungemein, wenn man trinkt.
    Ich drehe mich vom Rücken auf den Bauch und greife in die Tüte Chips hinter mir.
    Hier oben ist es wirklich wunderschön. Es ist Tristans Lieblingsplatz, das hat er mir anvertraut, als wir beide noch nüchtern waren. Hier ist er gerne, hier kommt er her, wann immer er eine kleine Pause braucht. Wann immer ihm nach Ruhe ist – eine Ruhe, die ihm nicht die Luft zum Atmen raubt. Nur ein kleiner Zwischenstopp, das braucht doch jeder Mensch, oder?
    »Und das hier ist also dein Lieblingsplatz? In der Nähe von der Grabkapelle der Könige? Das ist total morbide!«
    Tristan schließt die Augen und scheint plötzlich in einer anderen Welt versunken zu sein.
    » Die Liebe höret nimmer auf. «
    »Was?«
    »Die Liebe höret nimmer auf. «
    »Das … klingt schön.«
    »Ja, ist ein schöner Spruch, aber nicht von mir. Der steht über dem Haupteingang auf der Vorderseite der Kapelle. «
    Tristan atmet in aller Ruhe ein und aus. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, und bleibe erst einmal still.
    »Hörst du das?«
    Eigentlich höre ich gar nichts, aber das stört mich nicht. Ich kann nicht aufhören, Tristan anzusehen, wie er so ruhig daliegt.
    »Nein.«
    »Es ist ruhig. Zwar siehst du das Leben der Stadt, es umgibt dich, es ist überall, aber du hörst rein gar nichts.«
    Sein Atem wird noch ruhiger und gleichmäßiger. Hoffentlich schläft er nicht gleich ein. So schön ruhig es hier oben ist, so ungern möchte ich jetzt alleine sein.
    Er hat jetzt seit ein paar Minuten nichts mehr gesagt, und ich finde, es ist höchste Zeit, diese Ruhe zu durchbrechen. Und ich weiß auch schon, wie. Langsam kämpfe ich mich auf die Knie, dann auf meine Füße, und endlich sehe ich über das nächtlich leuchtende Stuttgart zu meinen Füßen. Noch nie habe ich so hoch über meiner Stadt gethront: hier oben, in Sichtweite der Kapelle, die an der Stelle einer alten Burg auf dem Gipfel des Württembergs gebaut wurde. Hier, am Stammsitz der Adligen von Württemberg – nach denen unser schönes Ländle benannt wurde –, fühle auch ich mich ein bisschen erhaben. So weit oben. Ich blicke auf meine Heimatstadt und fühle mich großartig.
    »Stuttgart! Ich liebe dich!«
    Das wollte ich der Stadt schon lange sagen, und heute Nacht schreie ich es ihr einfach zu. Ohne Zweifel bin ich mit dieser Idee nicht die Erste, aber es musste gesagt werden.
    Tristan lacht leise vor sich hin und klettert ebenfalls, leicht wankend, neben mich.
    »Das klingt schön, und ich glaube, Stuttgart liebt dich auch.«
    Ich kann mir ein breites Grinsen nicht verkneifen.
    »Danke. Versuche es doch auch

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