Lieblingsmomente: Roman
nicht, wenn man gerade mit seinem festen Freund schläft.
So erbärmlich habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, und ich bin wütend, weil ich wie ein dummes Schulmädchen vor mich hin heule und eigentlich kein Recht habe, mich so zu fühlen. Ich bin die Böse. Ich hintergehe und verletze. Ich sollte zu Oliver gehen und ihm alles sagen. Dann kann er sich entscheiden, ob er mich überhaupt noch will oder nicht. Und so wische ich mir die dummen Tränen von der Wange, stelle den Laptop zurück und … sehe Oliver gänzlich angezogen im Flur nach dem Haustürschlüssel suchen. Was?
»Du gehst noch mal raus?«
»Ja, Holger hat gefragt, ob wir unseren Sieg nicht feiern wollen. Nur ein Bier und eine Currywurst.«
Ohne mich? Holger ist immerhin auch mein Freund, mehr oder weniger, und wir sind schon öfter zusammen ausgegangen. Warum will Oliver mich nicht dabeihaben?
»Das klingt lustig. Wo trefft ihr euch denn?«
Ich gehe zu ihm und gebe ihm eine Chance, mich doch noch zu fragen, ob ich mitkommen will.
»Wir treffen uns in der Stadt und sehen dann weiter.«
Er lächelt, wie nur ein Mann nach dem Sex lächelt. Ich weiß, er lächelt so wegen mir, und will jetzt nicht streiten – und eigentlich auch keine Currywurst.
»Schön. Viel Spaß und grüß Holger von mir.«
»Mach ich.«
Jetzt küsst mich Oliver auf die Lippen, so wie er mich immer nach dem Sex küsst, schnappt seinen Geldbeutel und verlässt die Wohnung mit einer Selbstverständlichkeit, die mich ein wenig erschreckt. Oder verunsichert? Er ist verschwunden, und ich scheine in seiner Planung für den Abend wieder keine Rolle gespielt zu haben. Also zumindest für den Teil, der jetzt noch kommt. Wir haben Zeit miteinander verbracht, intimer als sonst – und jetzt widmet er seine Freizeit wieder den Freunden. Sicher, er will auch mit ihnen Zeit verbringen, aber jetzt bin ich enttäuscht.
Und beunruhigt.
Weil sich sofort dieser bohrende Gedanke in meinem Kopf breitmachen will. Noch kämpfe ich tapfer dagegen an und entscheide mich zuerst für eine Dusche, weil ich da am besten nachdenken kann. Außerdem: Ich habe Tristan für heute bereits abgesagt – und das war das Richtige. Absolut. Bloß warum spüre ich dann plötzlich so etwas wie Hoffnung? Der bohrende Gedanke fühlt sich, wenn ich ehrlich bin, eigentlich auch ganz gut an. Wie können sich Gefühle in meinen Kopf verirren? Sie haben da nichts zu suchen, verdammt noch mal! Nein, da sind Gedanken, und die müssen klar und deutlich sein. Da ist kein Platz für verrückte Gefühle, die so tun, als wären sie Gedanken, und die wahrscheinlich mein Herz und mein Bauch produzieren, wie eine Mendel’sche Kreuzung.
Zu allem Überfluss wird es unter der Dusche auch noch eher schlimmer als besser. Ich spüle die Spuren, die Oliver auf mir hinterlassen hat, weg, und schon drängen sich mehr und mehr Gedanken in Richtung Tristan. Ob er wohl noch am Palast ist? Ob er sich freuen würde, mich zu sehen? Ich würde mich freuen. Aber ich sollte nicht gehen. Das macht alles nur schlimmer. Wieso habe ich ihn so nahe kommen lassen? Bis in mein Bett? Und wieso ziehe ich nicht einfach jetzt und hier sofort konsequent die Notbremse? Ich könnte ihn aus meiner Freundesliste bei Facebook löschen und ab sofort andere Fahrradkuriere beauftragen. Ich müsste ihn nicht grüßen, wenn ich ihn sehe. Ich müsste ihn gar nicht mehr sehen, und wenn doch, dann müsste ich mir nur wieder Olivers Lächeln vor Augen führen – und das hübsche Gesicht von Helen. Nein, noch besser, Tristans Gefühle für sie. Er hat auf die Frage, ob er sie liebt, ohne zu zögern mit Ja geantwortet. Er liebt sie. Das darf ich nicht immer wieder so schnell vergessen – oder verdrängen.
Trotzdem will ich Tristan nicht verlieren.
Wenn ich das wirklich will, muss ich mir aber zunächst einmal eines eingestehen: Das in dem Pool-Traum war und ist Tristan, und ich fühle mich zu ihm hingezogen. Punkt. Auch heute, als ich mit Oliver geschlafen habe, da war es Tristan. Er hat sich einfach in mein Unterbewusstsein eingeschlichen – und in mein Herz. Da brauche ich mir nichts vormachen. Ich habe all das zugelassen. Es wird also schwer, einfach nur mit ihm befreundet zu sein. Er könnte mir weiterhin einen Lieblingsmoment nach dem anderen schenken und mich dadurch immer weiter an sich binden. Denn das macht er, wenn ich es mir genau überlege. Er wickelt mich um den Finger. Ziemlich gekonnt sogar. Er hat sich bei mir so viel … Mühe
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