Lieblingsmomente: Roman
dann …«
»Gehst du weg?«
»Vielleicht.«
»Das kannst du nicht. Wer geht dann mit mir Mittagessen und hört sich den ganzen Quatsch an, den ich den ganzen Tag von mir gebe?«
Sie schaut mich etwas entsetzt an, und ich muss grinsen. Schön zu wissen, dass es jemanden gibt, der mich vermissen würde.
»Nicht für immer, nur auf … Reisen. Ich würde gerne ein paar schöne Fotos machen. Von der Welt.«
»Wann?«
»Bald.«
Beccies Augen werden größer und größer. Dabei sollte es sie am wenigsten überraschen. Sie kennt mich so lange und gut, sie kennt auch diesen großen Traum, den ich viel zu lange vor mich hin geträumt habe, ohne ihn zu verwirklichen. Eine Weltreise, auf der ich Neues und Fremdes entdecke. Ich liebe Stuttgart, aber manchmal brauche ich mehr.
»Seit wann bist du so spontan? Was ist los? Bist du schwanger?«
Ich lache laut auf. Ich war noch nie so weit davon entfernt, schwanger zu werden.
»Nein. Ich möchte nur …«
Ich sehe auf die Bilder in meiner Hand, dann wieder zu ihr.
»Ich möchte wieder fotografieren. Richtig fotografieren. Verstehst du?«
Schwingt da Stolz in ihrem Blick mit?
»Ich denke nicht, aber ich freue mich für dich. Wann wollt ihr los?«
»Wir?«
Jetzt bin ich es, die sie überrascht ansieht. Moment.
»Na, du und Oli. Kann er sich so lange freinehmen?«
Ich weiß nicht, was ich drauf antworten soll. Warum habe ich mir darüber bisher keine Gedanken gemacht?
»Das wird bestimmt stark. Stell dir nur mal vor, ihr werdet ganz viele fremde Orte sehen. Dubai, Hawaii, Bali. Du wirst mir dann eure Fotos zeigen, und ich werde vor Neid platzen!«
Ich nicke. In meinem Kopf sieht das alles etwas anders aus. Es sollen keine Urlaubsfotos werden. Es geht nicht darum, Oliver an verschiedenen Touristenorten zu knipsen, um danach wieder am Pool einer All-inclusive -Anlage zu entspannen. Ich will die Welt sehen, ich will Abenteuer erleben, die ich hier und vor allem mit Oliver nicht erleben kann. Fernweh macht sich breit. Ich will neue, fremde Leben kennenlernen und Momente festhalten, die so kein zweites Mal passieren können.
Marco kommt grinsend auf mich zu, begrüßt mich mit einem Kuss auf die Wange und sieht mich dann an. Es ist wirklich eine kleine Ewigkeit her, dass wir uns gesehen haben. Marco hat sich trotzdem kaum verändert. Er sieht immer noch aus wie ein südländisches Männermodell. Die Schläfen sind etwas ergraut, aber auch das steht ihm. Macht ihn sogar noch attraktiver, als er ohnehin schon ist.
»Du siehst toll aus, Layla.«
Wieder ein Kompliment aus dem Mund eines Mannes, der nicht meiner ist. Als ich mich vor nicht mehr als einer halben Stunde im Bad geschminkt habe, kam Oliver herein und fragte nach seinen Hemden. Immerhin müsse er am Freitag nach Hamburg, und vielleicht müssten ja vorher noch Hemden in die Reinigung. Ich habe gesagt, alle Hemden seien gewaschen, gebügelt und in bester Verfassung in seinem Schrank. Das entsprach der Wahrheit. Er ist dann einfach zurück ins Wohnzimmer gegangen. Kein Kommentar über meinen kurzen Rock, meine hohen schwarzen Pumps oder mein wirklich gelungenes Augen-Make-up. Inzwischen tut es nicht mehr so sehr weh. Ich lasse das alles nicht mehr an mich ran. Die Fotos für Marco hatte ich zu diesem Zeitpunkt in einer schönen grauen Mappe in meiner Handtasche. Ich lächelte mir selbst aufmunternd im Spiegel zu und hörte Oliver im Wohnzimmer den Fernseher anschalten.
»Schatz?«
»Hm?«
Ich war schon an der Tür.
»Hast du mir deine Bilder in meinen Urlaubsfoto-Ordner gelegt?«
Auf die Frage hat er keine Antwort von mir bekommen. Ich bin aus der Wohnung raus, ohne weiter auf diese unglaublich unpassende Frage einzugehen.
Jetzt sitze ich hier mit Marco an einem der wenigen freien Plätze im I love Sushi und bin nervös wie selten.Er hat meine Mappe auf- und die Speisekarte zugeschlagen. Olivers Kommentar erscheint so weit weg, als wäre er aus einer anderen Welt.
»Wann sind die entstanden?«
Er blättert durch meine Mappe und spricht mit mir, ohne mich anzusehen. Ich klammere mich an mein Wasserglas.
»Gestern – und das sind nur die Abzüge aus meinem Drucker in der Arbeit. Ich hatte heute keine Zeit mehr, die Bilder professionell entwickeln zu lassen.«
Langsam sieht er hoch, ein Lächeln liegt auf seinen Lippen.
»Spontane Aktion?«
»Sehr, ja.«
»Emotionaler Ballast?«
»Auch.«
»Wunderbar.«
»Was?«
»Da liegt viel Gefühl drin. Sehr viel von dir.«
Mein Herz fängt an zu
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