Lieblingsmomente: Roman
sehr.«
Wieso Björn so nett zu mir ist und mir keine Ohrfeige gibt oder mir sagt, dass ich das Letzte bin, weiß ich nicht. Aber ich bin ihm dankbar.
»Das denke ich nicht.«
»Doch. Aber das mit Helen hat ihn irgendwie wieder in die Realität gebracht.«
Er lächelt mich an und drückt mich dann überraschend an sich.
»Er mag dich, glaub mir. Und ich mag dich auch, aber ich muss jetzt erst mal meinen besten Freund einfangen. Wir sehen uns.«
Dann lässt er mich los und spurtet Tristan in die Nacht hinterher. Ich weiß nicht, was passiert ist, ich weiß nicht, ob und was ich kaputt gemacht habe, aber ich spüre dieses Verlangen, mich immer und immer wieder zu entschuldigen.
Zurück in der Kiste verabschiede ich mich von Marco mit dem Versprechen, ihm bald professionelle Abzüge der Fotos zu schicken, und von Thomas mit dem versprechen, ihm die hochauflösenden Dateien der Konzert-Fotos zu schicken.
Danach fahre ich schweigend nach Hause.
Oliver schläft schon, als ich die Wohnungstür hinter mir schließe. Ich setze mich, wie inzwischen schon so oft, mit meiner Kamera auf den Balkon, fahre meinen Laptop hoch und greife nach Tristans Gastroführer. Ich lese noch einmal die Einführung. Vielleicht habe ich es überlesen, aber da steht es ganz deutlich, am Ende des Vorworts:
Vielleicht kann dieses Stuttgart mit seinen verborgenen Schätzen ja auch Ihr Stuttgart werden. Mir hat jemand die Augen für die Kleinigkeiten im Leben geöffnet. Hoffentlich kann ich dieses Geschenk mit diesem Gastronomieführer weitergeben.
Wie konnte ich das nur überlesen? Oder bei diesem »jemand« nicht sofort an Helen denken? Es ist gar nicht sein Stuttgart, das ich gesehen habe. Es ist ihr Stuttgart. Ich sehe die beiden in einem Café sitzen, Händchen haltend durch den Schlosspark gehen, sie zeigt ihm, wo man gute Pizza bekommt und wo man sich mitten in Stuttgart wie an der Riviera fühlen kann. Tristan hat das alles nur in Worte gepackt, der Inhalt kommt von ihr, und alles zusammen befindet sich in diesem Buch vereint. Ihre Liebe zu dieser Stadt, seine Liebe zu ihr, und ich habe mich, ohne es zu wollen, mit den Fotos dazugesellt. Ich hatte kein Recht dazu.
Ich schaue auf seiner Facebook-Seite vorbei, aber da findet sich nichts Neues. Allerdings habe ich eine Freundschaftsanfrage von Björn, die ich annehme, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob das so eine gute Idee ist.
Ein Geräusch erinnert mich daran, dass die Bilder von meiner Speicherkarte jetzt auf den Laptop geladen sind. Ich lehne mich zurück und klicke auf das erste kleine Bild, das sofort die gesamte Fläche meines Bildschirms einnimmt. Tristans Gesicht. Ich muss lächeln. Es hat so gutgetan, ihn wiederzusehen. Es war schön, mit ihm zu reden. Und ich kann noch immer nicht glauben, wie der Abend geendet hat. Ich habe ihn verletzt, und das vollkommen unabsichtlich. Noch immer habe ich keine Ahnung, wie ich mich bei ihm entschuldigen könnte. Eine Nachricht über Facebook ist bestimmt nicht das, was er jetzt lesen möchte. Vielleicht will er mich im Moment nicht einmal sehen.
Also schreibe ich Björn eine kurze Nachricht und frage, ob es Tristan einigermaßen gut geht und ob er mich jetzt hasst. Ich schreibe, dass ich es gerne wiedergutmachen würde und dass er sich, wenn er eine Idee hat, bitte bei mir melden soll. Dann wünsche ich ihm eine gute Nacht. Bevor ich den Laptop runterfahre, packe ich die Fotos von Thomas’ Bregenz-Konzert in einen Ordner und schicke sie ihm in hoher Auflösung. Vielleicht klappt das mit dem Artikel ja, und ich habe heute zumindest eine Sache richtig gemacht.
Dann putze ich mir die Zähne und krieche nach über einer Woche das erste Mal wieder in unser Bett. Ich schließe die Augen und lasse die Highlights des Abends noch einmal Revue passieren: Marcos Kommentar über meine Arbeit, meine Fotos und meine Entwicklung, das gesteigerte Selbstbewusstsein, das Konzert, Tristan, Tristans Stimme, seine Aussage, dass ich atemberaubend aussehe, sein Lied – nein, mein Lied . Und der traurige Abschied. Der Schmerz in seinen Augen. Irgendwann, während der One-Repeat-Vorstellung des heutigen Abends, schlafe ich ein.
Oliver hat seinen Koffer gepackt, stopft gerade noch ein paar Akten in seine Tasche und wirkt genervt. Meistens freut er sich, wenn er mal ein Wochenende mit seinen Kollegen weit weg von zu Hause verbringen kann, heute offenbar nicht. Ich habe diese Schulungen nie besonders ernst genommen. Männer in Anzügen, die sich ein
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