Liebst du mich wirklich, Raoul
herauf, die ihr Herz berührten. Sein ernster, verletzlicher Blick, als er von seinen Eltern sprach, hatte sie tief getroffen. Ganz offensichtlich war auch er in seiner Kindheit zeitweise sehr einsam gewesen.
Warum machten sie sich ihren Abschied unnötig schwer, indem sie schon heute Abend Barrieren errichteten? Morgen würde alles vorbei sein, damit blieb jetzt die letzte Gelegenheit, sich eine wunderbare Erinnerung zu schaffen.
Entschlossen schlüpfte Rhianna aus dem Bett und schlich in den Flur. Aber vielleicht würde er sie abweisen … Wollte sie dieses Risiko wirklich eingehen und womöglich gedemütigt wieder in ihr Zimmer verschwinden? Unschlüssig sah sie sich um und wäre beinahe mit Raoul zusammengeprallt, der in einem dunkelblauen Morgenmantel vor ihr stand.
Mehrere Sekunden lang sahen die beiden sich schweigend an, dann nahm Raoul Rhiannas Hand.
„Ich konnte nicht schlafen“, gestand sie und wurde dunkelrot.
„Ich auch nicht“, gab er heiser zurück. „Deshalb war ich gerade auf dem Weg zu dir. Ich habe gehofft, du lässt dich von mir wenigstens im Arm halten. Mehr erwarte ich nicht.“
12. KAPITEL
Am nächsten Morgen wachte Rhianna noch vor Raoul auf und betrachtete ihn eine Weile im Schlaf, ohne sich zu bewegen. Sie wollte seine Ruhe nicht stören, denn entgegen aller guten Vorsätze hatten sie in der vergangenen Nacht die Finger nicht voneinander lassen können.
Er schien tief und fest zu schlafen, und so glitt Rhianna schließlich lautlos aus dem Bett und kehrte in ihr Gästezimmer zurück. Der Regen hatte aufgehört, und durch die Blenden am Fenster kroch das hellgraue Licht der Morgendämmerung. Irgendwo im Garten zwitscherte ein Vogel einsam vor sich hin.
Noch ein schönes Bild, das ich in meiner Erinnerung verwahren kann, dachte Rhianna und drehte ihren Kopf in das Kissen. Eigentlich hatte sie gar nicht wieder einschlafen wollen, doch als sie wieder zu sich kam, schien die Sonne schon hell ins Zimmer. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits später Vormittag war.
Fast schuldbewusst kroch sie aus dem Bett und ging ins Badezimmer.
Warum hat er mich denn nicht geweckt? fragte sie sich, als sie unter der Dusche stand. Sie meinte sich daran zu erinnern, dass ihr jemand über die Haare gestreichelt hatte, aber da konnte sie sich auch irren.
Eine halbe Stunde später hatte sie fertig gepackt, war angezogen und ging nach unten. Zögernd blieb sie in der Tür zum Salon stehen, als Pilar sich lächelnd auf sie zubewegte.
„ Buenos dias, señorita. Kommen Sie essen?“
„Gern, danke.“ Rhianna räusperte sich voller Unbehagen. „Es tut mir leid, dass ich so spät bin.“
Die Haushälterin hob die Schultern. „ No importa. Señor Raoul sagte, Sie sollen ausschlafen. Also habe ich Sie schlafen lassen.“
Auf der hinteren Terrasse war bereits für sie gedeckt, und Rhianna lief das Wasser im Mund zusammen. Heißer Kaffee, frische Brötchen, Butter, Honig und eine Schale Obstsalat warteten auf sie. Kurz darauf servierte die Haushälterin ihr ein duftendes Omelett gefüllt mit Bacon, Tomaten, Paprika und Käse.
„Ist das alles für mich?“, fragte sie erstaunt.
„ Por supuesto! “, rief Pilar. „Natürlich! Señor Raoul hat schon vor Stunden gefrühstückt. Dann hat er gearbeitet, mit Handy und Computer. Sehr beschäftigt. Jetzt ist er beim Boot in Puerto Caravejo.“
„Oh. Wissen Sie, wann er zurückkommt? Ich muss nämlich nachher zum Flughafen.“
„Keine Sorge. Er sagte, er wird kommen.“ Sie schenkte Rhianna ein strahlendes Lächeln und verschwand.
Zu ihrer eigenen Überraschung aß Rhianna reichlich von dem herrlichen Frühstück, aber schließlich musste sie sich auch für einen anstrengenden Tag stärken.
Zwei Stunden später hörte sie draußen ein Auto vorfahren und ging in ihr Zimmer, um ihr Gepäck zu holen. Tapfer nahm sie sich vor, Raoul mit einem Lächeln zu begrüßen und auch während der Fahrt zum Flughafen den Kopf nicht hängen zu lassen.
Doch es war nicht Raoul, der unten in der Eingangshalle auf sie wartete. Ein Blitz flackerte auf, dann erkannte sie zwei Männer, von denen einer eine große Kamera in den Händen hielt. In dem anderen erkannte sie Jason Tully vom Duchy Herald.
„Hallo Rhianna!“ Sein Grinsen war triumphierend. „Ich wusste doch, wir sehen uns wieder.“ Er warf einen Blick auf ihre Tasche, während sie ihn nur erschrocken anstarrte. „Ich hoffe, Sie reisen nicht zurück nach Cornwall? Denn dort sind Sie persona non
Weitere Kostenlose Bücher