Liebster Mitbewohner
Facebook befreundet waren, gar nicht mehr für nötig erachtete, mich anzurufen? Vielleicht wartete er darauf, dass ich mich per Facebook-Nachricht bei ihm erkundigte, wie es in München lief? Allerdings hatte er bei der Abschiedsumarmung gesagt, dass er sich melden würde.
Nach einer Nacht voller Zweifel und widersprüchlicher Lösungsideen legte ich am Freitag auf der Arbeit Elena mein Problem dar.
„Im Ernst jetzt?“, war alles, was sie dazu sagen konnte, bevor Frau Schneider uns auseinander scheuchte.
„Ich brauche wirklich deinen Rat“, sagte ich, als wir nach unserer Schicht die Buchhandlung verließen. Elenas Mundwinkel zuckten verräterisch, deshalb fügte ich hinzu: „Und mach dich nicht über mich lustig.“
„Okay.“ Sie atmete tief aus und versuchte krampfhaft, ihr Gesicht zu entspannen. „Waru m rufst du ihn nicht einfach an?“
„Weil er gesagt hat, dass er sich melden würde.“
„Und tut er das?“
„Nein, das ist ja das Problem! Hast du nicht-“
„Dann ruf ihn an!“
Ich blieb beleidigt stehen.
Elena lief noch fünfzig Meter weiter, bevor ihr auffiel, dass ich nicht mehr da war. Sie drehte sich nach mir um, warf in einer verzweifelten Geste die Hände in die Luft und kam zu mir zurück gejoggt. „Was?“
„Du bist fies. Als du Liebenskummer hattest war ich voller Verständnis, Geduld und hab mich von dir beschimpfen lassen. Und du…!“
„Du hast Liebenskummer? Warum sagst du das nicht gleich? Ich dachte, es ist wieder mal dieses typische Felix-und-wie-ich-sein-Verhalten-interpretieren-soll-Problem.“
„Ich… so meinte ich es nicht. Ich habe keinen Liebeskummer. Eher Freundschaftskummer.“
„Dieses Wort gibt es nicht.“
„Jetzt schon.“
„Oh Gott, ich erfriere.“ Sie packte mich am Arm und zerrte mich weiter. „Und nein, dieses Wort wird es niemals geben. Denn keiner, ich wiederhole: keiner , hat solche Probleme. Außer dir. Das sollte dir zu denken geben.“
„Es gibt durchaus noch andere Menschen, die-“
„Niemand macht sich solche Gedanken, wenn es um die Kommunikation mit einem Freund geht. Wenn sich die andere Person nicht meldet, meldet man sich entweder selbst, wenn es einem wichtig ist, oder man lässt es und wartet ab. Das ist der Unterschied zwischen Freunden und Geliebten. Bei Freunden ist man locker, hat nicht solche Verlustängste und interpretiert nicht in jede winzige Handlung etwas hinein. Muss man auch nicht, weil man sich der Freundschaft sicher ist. Wenn man verliebt ist allerdings-“
„Geht das schon wieder los?“, stöhnte ich. Zum Glück waren wir in diesem Moment am U-Bahn-Gleis angekommen und wir mussten in unterschiedliche Richtungen fahren.
„Denk über meine Worte nach!“, rief Elena mir hinterher, als ich in die Bahn stieg.
Ich tat, als hätte ich sie nicht gehört.
Zu Hause angekommen loggte ich mich, wie bereits die letzten fünf Tage, als erstes bei Facebook ein. Mir fiel Felix‘ grinsendes Gesicht ins Auge. Ein Foto. Allerdings war er nicht allein darauf. Es war ein Foto mit insgesamt fünf Personen, anscheinend in einem Café aufgenommen. Für das Bild waren sie alle nah zusammengerückt. Die Gruppe bestand aus Felix, drei jungen Frauen um ihn herum und einem jungen Mann mit Brille am rechten äußeren Rand. Ich klickte auf das Foto, um es zu vergrößern. Rechts davon erschienen die Kommentare, die von anderen bereits dazu verfasst worden waren. Bisher nur zwei an der Zahl: Auf unseren neuen Praktikanten! , schrieb eine gewisse Jo Hanna, die auch auf dem Foto verlinkt war. Es handelte sich um eine hübsche Frau mit kastanienbraunem, langem Haar, die zur Linken von Felix saß, beziehungsweise halb auf ihm lehnte.
Der nächste Kommentar stammte von Benni: Zumindest an weiblicher Gesellschaft scheint es dir da unten ja nicht zu mangel n .
Ha ha, wie lustig. Ich lach mich tot, Benni. Ich inspizierte das Foto noch etwas genauer und stellte fest, dass es gestern Nacht hochgeladen worden war. Und zwar von einer anderen Frau, die ebenfalls auf dem Bild wieder zu finden war, zur Rechten von Felix: Eine indisch aussehende Schönheit mit glattem schwarzen Haar und großen dunklen Augen namens Ranja J.
Bevor ich zu einem klaren Gedanken fähig war , hatte ich schon das Nachrichtenfenster geöffnet, Felix als Empfänger gewählt und geschrieben: Sieh mal an. Zeit, um ein Harem aufzubauen hast du, aber nicht für einen simplen Anruf.
Zum Glück platzte in diesem Moment Daniel ins Zimmer und hielt mich so davon
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