Liebster Mitbewohner
nicht einmischen“, meinte er mit einem Seitenblick auf Daniel, der hinter mir ins Zimmer getreten war.
„Wollte ich nicht, aber ihr bekommt es ja allein e nicht hin. Zumindest nicht ohne Einsatz grenzwertiger Mittel.“ Die unterschwellige Schärfe in Daniels Stimme überraschte mich. War er nun doch auf meiner Seite?
Felix zuckte mit den Achseln und widmete sich wieder seiner Zeitschrift. „Halt deinen Moralvortrag doch einfach jemandem, den es interessiert.“
Ich warf Daniel einen fragenden Blick zu. Als er den Mund öffnete, kam ich ihm zuvor: „Ich weiß schon: Er macht eine schwere Zeit durch“, wisperte ich.
„Eigentlich ist er immer so“, flüsterte mein bester Freund zurück.
„Das hab ich gehört“, kam es von Felix.
„Gut“, gab Daniel zurück.
Einen Moment lang standen wir beide unschlüssig da und starrten Felix an, der weiterhin vorgab zu lesen.
„Weißt du was: Ist mir egal, ob du gekündigt hast, gefeuert wurdest oder suizidal bist. Ich bleibe hier.“ Ich quetschte mich an Daniel vorbei, trat auf den Flur und griff mir meinen Rucksack sowie meine Reisetasche. Unter Keuchen schleppte ich beides in Felix‘ Zimmer bis neben die große Couch. Auf dieser ließ ich mich nun abermals nieder, öffnete den Reißverschluss der Tasche und begann mit einem provokanten Blick in Felix‘ Richtung, meine Sachen auszupacken.
„Was machst du da?“, kam auch prompt die ebenso scharfe wie unnötige Frage.
„Ich richte mich hier häuslich ein.“
„Das… “ Zum ersten Mal schienen ihm die Worte zu fehlen.
Ich zuckte nur mit den Achseln und zog ein Kleidungsstück nach dem anderen aus meiner Reisetasche. Ich machte einen Stapel für Jeans, einen für Röcke, einen für Pullis und einen für T-Shirts. Nur die Unterwäsche und Socken ließ ich, wo sie waren. „Du hast nicht zufällig noch ein bisschen Platz in deinem Kleiderschrank?“
Felix öffnete den Mund, schloss ihn wieder, öffnete ihn abermals, doch brachte keinen Ton heraus.
„Ach, mach dir keine Mühe. Auf dem Boden ist ja genug Platz.“ Ich stapelte meine Kleidung in sorgfältigen Häufchen neben der Couch. Dann machte ich mich daran, meine restlichen Sachen auszupacken. Ein seltsames Grunzgeräusch ließ mich zur Tür blicken. Daniel stand noch immer dort und sah aus, als ob er sich nicht entscheiden könnte, ob er lachen oder weinen sollte. „Wenn du nichts Besseres zu tun hast, könntest du mir vielleicht eine Wolldecke bringen?“
Er machte Anstalten, das Zimmer zu verlassen, doch entschied sich um. „Maja, kommst du eben mal mit?“
„Geht leider nicht. Sonst wird er wahrscheinlich die Gelegenheit nutzen, meine Sachen hinauswerfen und einen Stuhl von innen unter die Klinke zu klemmen.“ Ich warf Felix einen Blick zu.
Der lächelte nur freudlos und machte keinen Versuch, es abzustreiten.
Daniel lehnte sich seitlich gegen den Türrahmen. „Jetzt mal Spaß beiseite, Maja. Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Was willst du denn machen, wenn du mal aufs Klo musst?“
Ich biss mir auf die Unterlippe. Gute Frage. Der Meinung schien auch Felix zu sein, denn ein triumphierendes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Hast du keinen Schlüssel für diese Tür?“, fragte ich Daniel.
Der schüttelte den Kopf. „Wenn es beim Einzug einen gab, hab ich den zumindest seit Jahren nicht gesehen.“ Er seufzte. „ Denkst du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?“
„Ja, ein kleines bisschen?“, kam es von Felix.
„Nein.“ Na gut, möglicherweise. Die Energie, die mich die letzte Stunde angetrieben hatte, verpuffte plötzlich ins Nichts. Ich fühlte mich nur noch müde. Zu müde, um zu streiten. „Freu dich nicht zu früh“, sagte ich trotzdem zu Felix. „Ich habe heute so gut wie noch nichts getrunken. Kannst du das auch von dir behaupten?“
Felix strafte mich nur mit einem kalten Blick.
Daniel verließ wortlos das Zimmer und kam wenig später mit einer Wolldecke und einem kleinen Kissen zurück. Wenigstens ein klitzekleines Lächeln warf er mir zu, als er alles auf der Couch ablegte. „Bringt euch nicht gegenseitig um, ja?“
Als weder Felix noch ich antworteten, ging Daniel mit einem letzten schiefen Grinsen hinaus und schloss die Tür hinter sich.
Die Stille, die sich nun im Zimmer ausbreitete, war erdrückend. Ich ignorierte sie. Aus meinem Rucksack angelte ich mir ein Buch und schlug es auf. Ich war fest entschlossen, mich abzulenken und nicht darüber nachzudenken, was heute alles
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