Lied aus der Vergangenheit
macht einen krummen Rücken. Er schaltet die Klimaanlage aus, und sie kurbelt das Fenster hinunter. Als er sich hinüberlehnt, um ihr die Tür zu öffnen, riecht er, schwach, ihren Schweiß. Er atmet verstohlen ein. Sobald sie gegangen ist, schließt er das Fenster, um den Duft einzusperren.
Schon bald ist es wieder so wie am ersten Tag. Sie steht an der Straße, als warte sie auf ihn.
28
Der Krieg verlieh ihrem Liebesspiel eine neue Intensität. Auf dem Fußboden, ihm zugewandt. Ihre Beine um seine Taille geschlungen. Er, in ihr, eine Brustwarze im Mund. Eine Hand drückt die umgebende Brust, seine Zunge zuckt hin und her, rundherum. Die Finger seiner anderen Hand ahmen, im warmen V ihrer Schenkel vergraben, diese Bewegung nach. Ihre Atmung wird tiefer und schneller. Als sie kommt, hält er sie fest, einen Arm um ihre Schultern, drückt sie auf seinen Schwanz. Während sich ihre Zuckungen verlangsamen, rollt er Nenebah auf den Rücken, seine Finger in ihrem Haar, und bewegt sich vor und zurück, bis er sich verliert. Anschließend liegt er, noch immer in ihr, da, während er langsam erschlafft und ihre Hand über seinen Nacken streicht. Irgendwann schlafen sie in dieser Stellung ein.
Sie treffen sich, wann immer sie können. Um die Stunden der Ausgangssperre und des OP -Dienstes herum. Es ist dunkel, es gibt kein Licht, kein Kochgas. Manchmal gehen sie mit leerem Magen und ohne ein Wort zu Bett, sich lieben ist alles, was sie tun.
Die Erinnerung an ihr Liebesspiel überfällt Kai aus dem Nichts. Er steht da mit einem Pappbecher in der Hand, darin etwas Purpurfarbenes, Süßes, Alkoholisches. Der Raum ist voller Menschen und Hitze. Die Erinnerung an Nenebahs Geruch und Geschmack, an die glatte Haut und die Muskeln ihres Rückens, die schmelzende Verflüssigung, trifft ihn wie eine Druckwelle. Er kann nichts tun, außer stillzustehen und zu warten, dass sie vorübergeht.
Neben ihm steht Mrs Mara, einen Becher von demselben purpurnen Punsch in der Hand, in einem Schweizer Voilekleid mit gerafftem Saum und gebauschten Ärmeln anstelle ihres gewohnten Kostüms. Ihr zu lange durchgehaltenes Lächeln ist spröde geworden. Sie schafft es nicht mehr, die Furche zwischen ihren Augenbrauen zu glätten. Vor ihnen ist ein Assistenzarzt gerade dabei, die zwei ausscheidenden Krankenschwestern zu fotografieren. Die Arme umeinandergelegt, die Köpfe zusammen, greller Lippenstift und mauvefarbenes Rouge von exakt demselben Farbton – für den feierlichen Anlass gemeinsam angeschafftes und aufgetragenes Make-up. Die Leute haben Essen und Geschenke mitgebracht: ein Kopftuch, mehrere Stück Lux-Seife, eine Reisepasshülle aus Kunststoff und eine vom gesamten Personal unterschriebene übergroße Karte. Die zwei Mädchen winden sich vor der Kamera des Assistenzarztes, ihr Gekicher verrät ihre Nervosität. Sie haben es geschafft, beide eine Stelle im selben Krankenhaus in Reading zu bekommen. Im Aufenthaltsraum hat Kai mitgehört, wie einer der ausländischen Ärzte ihre Aussprache korrigierte. »Redding, nicht Rie ding.«
Wie viele waren es damit allein in diesem Jahr? Die Chirurgie hat einen Anästhesisten verloren. Er hatte schon an drei anderen Abschiedspartys für Krankenschwestern teilgenommen, genau wie die heutige. Waren das wirklich drei? Sie verliefen allmählich ineinander. Und jetzt Wilhemina. Besonders Wilheminas Fehlen würde sich bemerkbar machen. Sie hatte das Zeug zu einer hervorragenden OP-Schwester.
Kai bereitet sich darauf vor zu verschwinden, geht sich verabschieden, küsst beide Mädchen auf die Wange. Drückt Wilheminas Schulter. Früher mal war sie in ihn verknallt gewesen – hatte er jedenfalls den Verdacht. Etwas an Wilhemina erinnert Kai an Balia. Balia war eine andere junge Schwester, die er vor Jahren gekannt hatte und die ebenfalls in ihn vernarrt gewesen war. Aber Kai darf nicht an sie denken. Er schlüpft durch die Tür hinaus in die Hitze der Nacht.
Auf der Station folgt Kai der Spur von blauen Nachtleuchten in die Ecke des Raums, zum Bett mit dem davor parkenden Rollstuhl. Auf einer Tafel an der Wand stehen die Buchstaben NPO – nil per os: Der Patient darf nichts oral verabreicht bekommen. Foday schläft. Kai will gerade wieder gehen, als Foday die Augen aufschlägt.
»Ich dachte, Sie schlafen«, sagt Kai.
»Ich hab geschlafen, ja. Aber ich kann Sie trotzdem hören, selbst im Schlaf.« Er grinst und beginnt mühsam, sich aufzusetzen.
Kai drückt ihn sanft wieder hinunter. »Entspannen Sie
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