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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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anderem geworden. Die Paranoia eines frisch verliebten Mannes. Sie spürt offenbar etwas, denn sie dreht sich herum, schaut ihn an, runzelt leicht die Stirn. »Was ist?«
    »Hast du das schon oft gemacht?«, fragt er.
    Sie stützt sich auf dem Ellbogen ab und zeichnet seinen Adamsapfel mit dem Zeigefinger nach. Er hat Angst zu fragen. Sie nimmt den Finger wieder weg und sagt: »Was genau willst du wissen?«
    Er bekommt kaum Luft. »Hast du das schon mal gemacht?«
    Sie starrt jetzt an die Decke, einen Arm emporgestreckt, und zeichnet mit ihrem Zeigefinger Kreise in die Luft. Auf Adrian übt dieser Finger, wie er durch die vom Mond geworfenen Schatten ein und aus geht, eine hypnotische Wirkung aus.
    »Nein«, erwidert sie.
    Seine Erleichterung ist so ungeheuer, dass seine Eingeweide sich verflüssigen.
    Weiterhin Muster an die Decke malend, fährt sie fort: »Und du?«
    »Nein«, erwidert Adrian.
    Sie sagt: »Dann ist ja gut.« Und kehrt ihm wieder den Rücken zu. Seine Erleichterung verflüchtigt sich.
    »Du machst mich glücklich«, sagt er zu ihrem Rücken.
    »Gut«, erwidert sie zur Wand.
    »Und das macht mir Angst.«
    Sie dreht sich zu ihm um. »Du darfst keine Angst haben«, sagt sie, nicht wie er im Flüsterton, sondern mit normaler Stimme.
    »Warum nicht?«
    »Weil es nichts nützt. Was passieren muss, passiert.«
    Jetzt dreht er sich auf den Rücken und betrachtet die Mondschatten an der Decke. In der Ferne donnert es. Er rollt wieder zu ihr herum, überschätzt die Entfernung zwischen sich und ihr und knallt mit dem Kopf heftig gegen ihr Gesicht. Durch die Heftigkeit des Stoßes klappern seine Zähne aneinander. Er findet ihren Mund, küsst sie und schmeckt Blut, holt eine Schachtel Streichhölzer und zündet eins gegen die Dunkelheit an.
    »Ich hab dich verletzt«, sagt er und mustert ihre Lippe. Das Streichholz verglüht. Er legt sich wieder hin und nimmt sie in die Arme. Er spürt, wie sie zittert; aus dem Zwischenraum zwischen ihnen löst sich ein Kichern. Plötzlich lachen sie beide laut los.
    Am Morgen fragt er, da er schon Dinge gesagt hat, die er nicht sagen wollte, und jetzt meint, nichts mehr zu verlieren zu haben: »Wen hast du am meisten geliebt?«
    »Meinst du einen Mann?«
    »Ja.«
    »Keinen Hund?«
    »Nein.«
    »Auch keinen Flug hund?«
    »Auch keinen Flughund.« Er geht gern auf ihr Geplänkel ein, aber er lässt auch nicht locker.
    Sie putzt gerade die Küche, schrubbt die Oberflächen mit Vim ab. Es gefällt ihm, Zeuge ihres häuslichen Alltags zu sein. Sie wendet sich ihm zu, die Hände weiß von Scheuerpulver, in der einen ein Stahlschwämmchen; milchiges Wasser rinnt ihr den Arm hinunter, tropft ihr vom Ellbogen. Sie lächelt, ist aber gleichzeitig ernst. »Willst du das wirklich wissen?«
    »Ja. Bist du schon mal verliebt gewesen?« Er will wissen, ob das, was gerade geschieht, schon einmal geschehen ist. Wie das jeder Liebende wissen möchte. Er fühlt sich wie ein Klischee, aber es hält ihn nicht davon ab.
    »Ein Mal.« Sie hält einen geweißten Zeigefinger in die Höhe. »Ein einziges Mal. Wir waren praktisch zusammen aufgewachsen. Wir waren ewig zusammen, zumindest fühlte es sich so an.«
    »Hättest du ihn geheiratet?«
    »Ja«, erwidert sie. Ohne zu zögern, was ihn verletzt, ein winziger Stachel, obwohl er sie gebeten hatte, aufrichtig zu sein. Er schweigt. Sie wendet sich ab, um das Schwämmchen in die Spüle zu legen, und er tritt von hinten an sie heran, schlingt ihr die Arme um die Taille und stützt das Kinn in die Vertiefung ihrer Schulter.
    »Was ist passiert?«
    »Was eben so passiert. Wir haben uns in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Er war ehrgeiziger als ich. Am Ende hatten wir uns so weit auseinanderentwickelt, dass wir nicht mehr zueinanderfanden. Er hatte sich auch verändert.« Sie zuckt die Achseln.
    Adrian steht regungslos da. Sie fängt wieder an, über einen Fleck auf der Arbeitsfläche zu reiben. Das Spiel wird zu gefährlich. Er will keine weiteren Fragen stellen. Er sagt nichts mehr.
    Und Mamakay fragt ihn ihrerseits natürlich nichts.

37
    Bei den vielen Überstunden, die er gemacht hatte, standen Kai jede Menge freie Tage zu. Er zog es vor, Mrs Mara zu umgehen, und ließ Dr. Seligmann wissen, dass er sich einen Tag Auszeit nehmen würde. Abass hatte Schulferien, langweilte sich zu Hause, also hatte Kai ihn gefragt, ob er nicht mitkommen wollte. Bevor sie die Stadt verließen, hielten sie am Krankenhaus, wo Kai kurz nach Foday sah. Ein Arzt,

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