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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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Rattansofa auf der Veranda schlafend vorfand. Aus welchem Grund auch immer ist es ihr peinlich, beim Schlafen erwischt zu werden. Bei dem Gedanken muss er lächeln. Er wird sie überraschen. Da ist sie. Das Geräusch seiner Schritte muss in ihren Traum eingedrungen sein, denn als er die letzten Stufen hinaufsteigt, beginnt sie sich zu regen. Er geht auf sie zu, sie öffnet die Augen.
    Er lächelt.
    Sie blinzelt, schaut mit großen Augen, leicht gerunzelter Stirn zu ihm auf.
    »Was ist los?«, sagt er.
    Sie richtet sich halb auf. Ihre Hand tastet zwischen den Stoff ihres Wickelrocks, auf den Polstern des alten Sofas, als suche sie nach einem verlorenen Ring. Adrian folgt den Bewegungen ihrer Hand, bis er den großen dunklen Fleck sieht, der ihren Rock und den Bezug des Polsters durchtränkt.

53
    Vor Kai gab sich Zainab sittsam, genau so, wie sie auf ihrem Foto wirkte: ein Mädchen mit gut dörflichen Manieren. Wenn sie zu ihm sprach, betrachtete sie sein Schuhwerk, kicherte hinter vorgehaltener Hand und lächelte mit geschlossenen Lippen. Wie Kai fand, schaffte sie es dennoch, den Eindruck zu erwecken, im Besitz eines anstößigen Geheimnisses, einer leicht schmuddeligen Information über ihn zu sein. Foday starrte sie mit unverhohlener Bewunderung an. Und auch Kai fand allmählich Gefallen an Zainab, auch wenn es ihm kaum gelang, ein Wort aus ihr herauszubekommen. Doch in der Klarheit ihres Blicks erkannte Kai eine junge Frau, die ganz genau wusste, wer sie in dieser Welt war.
    Als er später am Fenster neben Fodays Bett vorbeigeht, hört Kai, wie sich Zainabs Kichern in Gelächter verwandelt: aus voller Kehle und rebellisch.
    Kai zieht sich zurück, um Fodays Krankenblatt auf den aktuellen Stand zu bringen. Die Hauptauswirkung der Infektion ist eine Verzögerung dessen, was als Nächstes zu tun ist: Gipsabnehmen, Physiotherapie, abschließende OP des rechten Fußes. Er schließt die Augen, lehnt sich zurück und spürt augenblicklich den Sog des Schlafs, gleitet hinab, nur um sofort wieder hochzuschrecken. Mitunter wird das Bedürfnis nach Schlaf so unbändig, dass es das Einzige ist, was ihn noch wach hält. Irgendwo knallt eine Tür zu. Kai öffnet die Augen und setzt sich aufrecht hin, schüttelt den Kopf und reißt die Augen weit auf. Das Licht im Zimmer scheint zu zerbrechen und zersplittern, Krümel von grellem Licht erscheinen und verschwinden. Er reibt sich die Augenlider. Die langen schlaflosen Nächte rächen sich am Ende immer. Als Kind hatte er sich vor den Kreaturen gefürchtet, die unter seinem Bett lebten, aber irgendwie hatte ihn die Angst nie am Einschlafen gehindert. Tja, jetzt würde er die Ungeheuer jederzeit wieder eintauschen.
    Gestern ist er in ein Internetcafé in der Stadt gegangen und hat Tejani eine E-Mail geschrieben, dann gewartet, bis sie gesendet wurde. Alles sei erledigt, hatte er Tejani geschrieben, die Prozedur abgeschlossen. Andrea Fernandez Mount hatte ihm die Nachricht persönlich telefonisch übermittelt. Kais Antrag war bewilligt worden, sein Visum war durch. Anschließend ging er den ganzen Weg nach Hause zu Fuß, durch die Hitze, den Verkehr, den Staub und das Gewimmel von Menschen wie durch einen eigenen unsichtbaren Tunnel.
    Er steht auf und macht eine Runde durch das Krankenhaus: Notaufnahme, Krankensäle, Intensivstation, Labore.
    Acht Uhr. Er ist gerade im Labor und überprüft das Ergebnis einer Blutuntersuchung, als er Seligmann, einen halben Donut in der Hand, vorüberhasten sieht. Kai reicht den Objektträger dem Laboranten zurück und folgt Seligmann zum OP -Saal. An der ersten Tür sieht er Adrian, wundert sich kurz über dessen Anwesenheit. Kai nickt, ruft oder winkt nicht. Es ist dunkel. Höchstwahrscheinlich kann Adrian, der unter der Lampe steht, ohnehin gar nicht sehen, wie Kai über den Hof geeilt kommt, denn er winkt oder ruft ebenfalls nicht. Es ist Monate her, dass sie miteinander gesprochen haben. Adrian schaut nicht in seine Richtung, er redet gerade mit Mrs Mara. Kai hat es eilig. Er geht an ihnen vorbei, hört Mrs Mara seinen Namen rufen. Er will jetzt nicht stehen bleiben. Wegen Adrian nicht, wegen Seligmann nicht. Was immer sie will, kann bis nachher warten. Er schaut sich nach Seligmann um.
    Später wird er sich an die Gesichter erinnern. Nicht an das von Seligmann, denn Seligmann war der Einzige, der nicht wusste, was los war, aber an die Gesichter der anderen. Die Augen. Die ihm zum Teil folgten. Zum Teil zu Boden sahen. Das Schweigen. Nichts vom

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