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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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vor. Sie war die Nummer zwei hier, Psychologin.
    »Wir werden als Erstes auf Malaria untersuchen«, sagte Ileana. »Manchmal steckt wirklich nicht mehr dahinter. Wie Sie sicher wissen, kann die Krankheit Halluzinationen verursachen. Obwohl die Angehörigen für gewöhnlich die Symptome selbst erkennen. Dann checken wir den ganzen Rest, angefangen mit Drogenmissbrauch. Er scheint sich auf jeden Fall beruhigt zu haben, und wir können ihm etwas Haloperidol geben, damit er auch ruhig bleibt.«
    Da Adrian nichts anderes vorhatte, bat er, sich die Klinik ansehen zu dürfen. Ileana warf einen Blick auf ihre Uhr und führte ihn dann hinaus. »Die Anstalt hatte ziemliches Glück. Keines der Gebäude wurde zerstört. Ah, Dr. Attila!«
    Ihnen entgegen kam der leitende Psychiater, der gerade seine Visite beendet hatte. Adrian erinnerte sich an den Namen, von einem Bericht im International Journal of Social Psychiatry . Und obwohl er sich die Verfasser von Berichten oft auf eine unbestimmte, diffuse Weise, stets gleich und klischeehaft als dünne, farblose, näselnde Akademiker vorstellte, war er nicht imstande gewesen, sich von dem Mann, der gerade auf sie zukam, ein auch noch so ungefähres Bild zu machen. Attilas Name haftete etwas Ehrfurchtgebietendes an. Adrian sah einen breitbrüstigen Mann in einem kragenlosen Hemd, Hose und offenen Sandalen, der mit riesigen Händen nach links und rechts gestikulierte und von einem blau gekleideten Wärter und einer Anzahl weiterer Personen begleitet wurde, die Adrian aufgrund ihres Verhaltens für Patienten hielt.
    »Ich mache Sie bekannt«, sagte Ileana und stellte sich dem Psychiater in den Weg, der bis dahin keine besondere Absicht kundgetan hatte, seine Schritte zu verlangsamen. Als sie Adrian vorstellte, sah Attila ihn flüchtig an, reichte ihm aber nicht die Hand.
    Schließlich kratzte er sich am Ohr und sagte: »Wie auch immer wir Ihnen helfen können, Sie sind uns höchst willkommen.«
    »Danke.«
    »Sagen Sie nur Salia Bescheid.«
    »Salia?«
    »Unserem Oberpfleger.«
    Adrian dankte ihm noch einmal. Dann fügte er hinzu, dass er warten würde, bis er sich umgesehen habe. Er wolle sich über das Behandlungsangebot informieren: ergotherapeutisch, psychotherapeutisch, was Freizeitangebote betraf. Vielleicht könnte er mit allen Mitarbeitern sprechen? Er würde sich freuen, wenn er wiederkommen könnte. Und die Sozialarbeiter natürlich. Während er redete, fragte sich Adrian, warum er nicht schon früher daran gedacht hatte hierherzukommen.
    »Natürlich. Ileana kann das alles regeln. Wenn Sie sonst noch etwas möchten, fragen Sie einfach.«
    Trotz der Großzügigkeit seiner Worte strahlte der Mann etwas leicht Aggressives aus – durch seine Haltung vielleicht, den breiten Rumpf, der sich kein einziges Mal in Adrians Richtung neigte. Er winkte mit seiner riesigen Hand, hatte sich schon wieder in Bewegung gesetzt. Adrian hätte sich über die Gelegenheit gefreut, das Gespräch fortzusetzen, wenngleich vielleicht nicht ganz so öffentlich. All diese Leute, die mithörten, selbst die Patienten, als gehörten sie dazu. Es störte ihn, das völlige Fehlen von Privatsphäre.
    Sie gingen weiter. »Tut mir leid wegen eben«, sagte Ileana. »Er ist manchmal so. Wir fangen mit Station drei an.« Sie fischte ein Päckchen London aus der Tasche ihres Kittels, hielt es Adrian hin, der den Kopf schüttelte. Sie steckte sich eine an und ging qualmend weiter. »Wie ich vorhin sagte, haben meines Wissens die meisten Insassen überlebt. Es gibt kein Land auf der Welt – egal ob arm oder reich –, wo der Irrsinn den Menschen keine Angst machen würde. Nennen wir es Angst. Obwohl eine ganze Portion Respekt dabei ist. Nach Einnahme der Stadt haben die Rebellen sie hier in Ruhe gelassen. Attila hat die ganze Zeit die Leitung behalten. Sie haben alles geplündert und den Leuten die Häuser über dem Kopf angezündet, haben Hunderte bei lebendigem Leib verbrannt. Die ärmsten Leute natürlich. Grundsätzlich. Haben sie gezwungen, in die Stadt zu marschieren, als menschlicher Schutzschild für die Kämpfenden zu dienen. Auf jeder Seite fanden Gräueltaten statt. Als die Lage sogar noch schlimmer wurde, besonders während der Besatzung, versteckten sich also viele hinter diesen Mauern, indem sie vorgaben, verrückt zu sein. Poetisch, finden Sie nicht? Schließlich heißt eine Klapsmühle in Ihrer Sprache ja asylum . Es waren auch ein paar Blauhelme hier drin.«
    »In den Berichten habe ich nichts davon

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