Lied aus der Vergangenheit
mit einem Mulatten zusammen, einem Schriftsteller, der daneben auch eine Tanztruppe leitete – mit einigem Erfolg, wie ich gehört hatte. Saffia fragte ihn, ob er sich durch die Ereignisse der Nacht inspiriert fühlte.
In der ganzen Stadt versammelten sich Menschen in Häusern, Hinterhöfen, Bars, um den Fortgang des Apollo- 11 -Projekts am Radio zu verfolgen. Wir waren noch immer im Ocean Club, als die Ankündigung kam, die Mondlandefähre würde bald zu landen versuchen. Der Besitzer befahl, die Musik abzustellen, der ganze Raum verstummte. Nichts außer atmosphärischen Störungen und dem Rauschen der Wellen. Ich konnte das leicht phosphoreszierende Wasser sehen, das sich – nach dem Gebot ebendesselben Mondes, auf dessen Oberfläche die Menschheit in Kürze eintreffen würde – vorschob und wieder zurückzog. Die Ankündigung kam, gefolgt von einer kurzen schwarzen Leere und dann der Stimme des Astronauten: »Houston. Hier Tranquility Base. Die Eagle ist gelandet.« Alle im Raum fingen an zu applaudieren und sich gegenseitig zu gratulieren. Selbst der Besitzer, von Natur aus ein knickriger Bursche, fühlte sich veranlasst, eine Lokalrunde auszugeben. Der Barkeeper schaltete augenblicklich von Starre auf Betriebsamkeit.
Julius boxte in die Luft und brüllte: »Die Eagle ist gelandet!«
Das Mädchen Yamba, das ihn von einem Barhocker aus anstarrte, fragte: »Was denn für ein Adler?«
»So heißt das Modul«, erklärte ich. Als sie mich so ansah, als hätte ich auf Holländisch geredet, fügte ich hinzu: »Das Raumschiff.«
»Von was für einem Raumschiff redest du?«
Ich erklärte die Mondmission, die ihr offenbar als Einzigem auf der Welt entgangen war, sie fuhr fort, mich ungläubig anzusehen. Julius wurde auf unsere Unterhaltung aufmerksam, und er drehte sich um, um zuzuhören; andere taten es ihm nach. Am Ende meines Berichts zeigte sie auf den Nachthimmel.
»Dieser kleine Mond da?«
»Natürlich, dieser Mond.«
Sie senkte das Kinn, stemmte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief, um die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, dass ich sie für dumm verkaufen wollte. »Na, dann sag mir eins«, sagte sie.
»Natürlich.«
»Was für eine Sorte Mensch käme auf die Idee, so was zu tun?«
Da brach Julius in brüllendes Gelächter aus, klatschte sich auf den Oberschenkel, sodass sein Drink im Glas herumschwappte.
»Exzellent! Ich sollte sie zu einigen meiner Studenten sprechen lassen. Grundsatzfragen. Warum? «
»Um die Sowjets zu demütigen«, sagte Kekura. »Das ist das neue Gerangel um Afrika. Das Gerangel um den Weltraum. Vor hundert Jahren waren wir es , um die sie gekämpft haben. Unser Land, unsere Reichtümer, unsere Seelen.«
»Ganz genau.« Es war Ade, der zehn Minuten zuvor zu uns gestoßen war. »Und damit die Zeitungen aufhören, ständig über Vietnam, Vietnam, Vietnam zu schreiben.«
»Es ist schwer, da anderer Meinung zu sein«, meldete sich der tanzende Schriftsteller als Nächster zu Wort. »Aber wenn es um mich ginge, wüsste ich schon, warum ich es täte.«
»Warum?«, fragte Saffia.
»Um zu fliegen.«
Saffia sagte: »Das gefällt mir.«
»Um zu fliegen«, wiederholte Julius. »Um die Grenzen unseres Unternehmungsgeistes, unseres Mutes auszuloten.« Er meinte es ernst. »Was hat es sonst für einen Sinn, am Leben zu sein?«
Habe ich schon erwähnt, wie jung wir damals waren? Wie furchtbar jung?
Draußen wurde Straßentheater aufgeführt. Der Tänzer rief Julius zu, er solle anhalten, und wir stiegen alle aus. Später gelangte er, wie ich mich erinnere, zu einem gewissen Ruhm als Choreograf, bis er mit der Regierung in Konflikt geriet. Ich glaube, er starb im Ausland. Aber das nur am Rande.
Vor einem Geschäft agierten zwei Männer in improvisierten Raumanzügen im Inneren eines behelfsmäßigen Landemoduls. Das Fernsehgerät hinter ihnen war zu klein, als dass die Menschenmenge darauf hätte etwas erkennen können. Also machten die Schauspieler die Astronauten nach und führten dem Publikum vor, was gerade auf der Apollo 11 geschah. Der Tänzer war fasziniert, und wir schauten alle ein paar Minuten lang zu, bis Saffia, besorgt, es könnten Gäste kommen, während wir nicht da waren, sagte, wir müssten gehen, und so trennten wir uns von ihm und fuhren schon mal vor.
Ein paar Leute waren tatsächlich schon eingetroffen. Julius ging direkt an die Hausbar und fing an, Drinks zu servieren. Saffia verschwand in die Küche. Kekura ging, eine hoch erhobene Antenne in
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