Lied des Schicksals
Victorias, tatsächlich den Prinzen gesehen zu haben, keinen Abbruch. Auch machte die ermüdend lange Fahrt zurück in die Stadt niemandem sehr viel aus. Bei den Trevannicks waren die Jüngsten allerdings am Abend so erschöpft, dass sie früh zu Bett gingen. Sie wollten gut ausgeschlafen sein, um die vielen anderen Veranstaltungen, die während des königlichen Besuchs stattfinden sollten, so richtig genieÃen zu können.
»Was hat dir denn am besten gefallen?«, fragte Etty Louisa, als sie am Freitagmorgen aufwachten und noch ein wenig im Bett plauderten. »War das Feuerwerk gestern Abend nicht fantastisch?«
»Oh ja! Ich hätte mir niemals etwas so Wunderbares vorstellen können. Oh, Etty, mir hat alles, was wir gemacht und was wir gesehen haben, so gut gefallen, dass ich gar nicht weiÃ, was am schönsten war.«
»Da hast du recht. Alles war so wunderbar. Wenn ich mich für etwas entscheiden müsste, würde ich sagen, dass mir der Fackelzug am besten gefallen hat. Es war ein herrlicher Anblick, wie Hunderte von brennenden Fackeln durch die StraÃen getragen wurden. Auch die Lichter und den Festschmuck an den Häusern fand ich sehr schön.« Etty seufzte. »Alles war so wunderbar und aufregend.« Sie seufzte ein zweites Mal, diesmal aber weniger vor Begeisterung. »Ich wünschte, ich wäre älter und hätte mit Mama und Papa zum Ball beim Gouverneur gehen können.«
Der Ball hatte am Mittwochabend stattgefunden. Am Donnerstag hatten die beiden Mädchen Meggan, nachdem diese endlich am Nachmittag aufgestanden war, keine Ruhe gelassen. Sie wollten jedes kleinste Detail über den Abend erfahren: Wie waren die Räume im Exhibition Building geschmückt gewesen? Wie hatte der Prinz in seiner Marineuniform ausgesehen? Welche Tänze waren getanzt worden, was wurde zum Abendessen serviert, trugen die Damen raffinierte Ballkleider? Natürlich wussten die Mädchen genau, wer das schönste Paar unter allen Gästen gewesen war.
Sie hatten beide voller Bewunderung geseufzt, als Meggan und Con sich am gestrigen Abend in ihrer Ballkleidung präsentiert hatten. Con hatte sehr elegant in einem Smoking aus dunkelgrünem Samt ausgesehen, der von der Farbe her einen perfekten Kontrast zu Meggans hellgrün und weià gemusterter Seidenrobe bildete. Das Kleid zeigte ihre bloÃen Schultern und betonte ihre immer noch schlanke Taille. Der zweilagige Rock war mit zarter weiÃer Seide eingefasst. Auf ihrem kunstvoll gelockten Haar trug sie einen Kopfputz aus kleinen weiÃen Blüten und winzigen grünen Blättern. Die beiden hatten, wie Meggan zugab, sehr viele bewundernde Blicke und Komplimente geerntet. Der Prinz persönlich hatte ihr ein Kompliment über ihr Aussehen gemacht.
Als die Mädchen das hörten, hatten sie vor Begeisterung gekreischt. Nun wollten sie noch mehr Einzelheiten erfahren. SchlieÃlich hatte Meggan die neugierige Befragung beendet, indem sie die Mädchen daran erinnerte, dass sie gleich alle zusammen zu dem kostenlosen Bankett im Zoologischen Garten im Richmond Park gehen wollten.
Jeder Einwohner von Melbourne, unabhängig von Klasse oder Kaste, war eingeladen, was ein seltenes Ereignis in einer Kolonie war, in der Hautfarbe und Rasse immer noch für Zwietracht sorgten. Nach dem Bankett sollte es im Yarra Park ein Feuerwerk geben. So etwas hatte keiner von ihnen je gesehen, und sie freuten sich sehr darauf. Und niemand war enttäuscht worden.
Mittlerweile war Freitag. Meggan hatte versprochen, mit den Mädchen einkaufen zu gehen. Etty schwang die Beine aus dem Bett und streckte die Arme in die Luft. »Heute Abend gehen wir in die Oper, ich kann es kaum erwarten. Mama kauft mir vorher noch ein neues Kleid. Ich hoffe, es ist ein Kleid für Erwachsene.«
»Du bist doch erst fünfzehn, Etty.« Louisa stand ebenfalls auf. »Selbst wenn du ein Abendkleid bekommst, wärst du schon herausgewachsen, bevor du es noch mal anziehen könntest.«
Etty schnitt ihrer Freundin eine Grimasse. »Warum musst du immer alles so praktisch sehen, Louisa?«
»Ich weià nicht. Ich bin halt so.«
Der Einkaufsbummel versetzte die Mädchen in Staunen und Verzückung. Von Kleidung, Schuhen und Accessoires bis hin zu Möbeln und Porzellan gab es hier so viele Dinge, die sie noch nie gesehen hatten. Zunächst kauften sie Schuhe, Hüte und Kleider für alle Tage, dann
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