Light & Darkness
existent. Dante spielte die Hauptrolle. »Erzähl ihnen mehr«, sagte Light leise und der Hauch eines Lächelns zog sich über ihre Lippen. Dante blinzelte und der Moment löste sich auf. Das Bühnenstück war vorbei.
»Du willst von allen gemocht werden«, richtete sich Dante direkt an Kane. »Und du hast schreckliche Angst davor, dass jemand etwas über deine Vergangenheit erfährt und über deine Familie. Die letzten fünfzig Jahre haben deine Persönlichkeit sehr geprägt, denn ich sehe ganz deutlich einen Riss, der dich verändert hat. Eine weitere Unreinheit in deiner Persönlichkeit hat sich vor etwa fünf Jahren gebildet, als du Jude das erste Mal begegnet bist.«
Er hätte lügen können. Alles abstreiten. Aber der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet Kane. Light wusste nicht, ob es möglich war, aber er wirkte auf sie noch farbloser als sonst. Kane sprach selten über seine Familie – eigentlich nie, wenn Light genauer darüber nachdachte. Sie hatte in den vergangen zwei Tagen mehr über Dantes Vergangenheit erfahren, als über die von Kane in den vergangenen fünf Jahren.
Zufrieden lehnte Dante sich in seinem Stuhl zurück. »Genügt das oder soll ich noch mehr erzählen?«
Regungslos starrte Kane auf einen entfernten Punkt neben Dantes Ohr. Sprachlos. Die Schüler um sie herum begannen leise zu reden. »Wirklich interessant«, sagte Roland mehr zu sich selbst. »Wie weit geht Ihre Fähigkeit? Könnten Sie uns verraten, wie diese Persönlichkeitsrisse entstanden sind?«
»Natürlich. Ich sehe alles, was die Persönlichkeit geformt hat«, sagte Dante beinahe sanft, wie ein Flüstern. Light lehnte sich nach vorne, um ihn besser zu verstehen. »Meistens sind es Erinnerungen aus der Kindheit oder besonders einschneidende Erlebnisse. Ein Unfall. Der Verlust einer geliebten Person. Dinge, die einen prägen, die einen festhalten und nicht mehr loslassen.«
Light überstand die ersten vier Stunden Unterricht ohne weitere Zwischenfälle, was man von Kane nicht behaupten konnte. Im Gegensatz zu Delegat Roland fand Mrs Meyer, die Psychologielehrerin, sein Outfit weniger amüsant und schickte ihn auf direktem Weg zur Schulleitung.
Light reihte sich mit Dante in die Schlange für die Essensausgabe ein, während Anna am anderen Ende des Raumes versuchte, Logan Swimmer als Date für den Winterball zu gewinnen.
»Das sieht aus, als wäre es schon einmal gegessen worden«, bemerkte Dante. Er verzog das Gesicht und deutete auf eine zähflüssige, orange Masse, die mit krakeliger Handschrift als »Kürbissuppe« ausgezeichnet war.
Light schüttelte den Kopf. »Du darfst hier niemals Suppe essen. Nach meiner ersten Suppenerfahrung hab ich mir zwei Tage lang die Seele aus dem Leib gekotzt.«
Dante rümpfte angewidert die Nase. »Zu viel Information.«
Verlegen sah Light ihn an. »Entschuldigung, ich wollt dir nicht den Appetit verderben.«
»Keine Sorge, der Appetit vergeht mir schon beim Anblick des Essens.« Er rührte mit einem Schöpflöffel in einer undefinierbaren brauen Masse, die nach verbranntem Kohl stank.
»Die Nudeln mit Tomatensoße sind okay.« Lights Tonfall klang entschuldigend. »Weich gekocht, aber essbar.«
Dante rückte in der Reihe weiter auf. »Kann ich dir vertrauen?«
»Natürlich.« Light verzog die Lippen. »Kannst du die Ehrlichkeit nicht in meiner Persönlichkeit erkennen?« Seit sie den Unterricht von Delegat Roland verlassen hatten, war kein Wort über seine Fähigkeit gefallen. Light konnte nicht fassen, dass Dante so etwas Wichtiges vor ihr verheimlichte. Sie räusperte sich, bemüht ihre Stimme möglichst fest, aber freundlich klingen zu lassen. »Du hättest es mir erzählen müssen. Meine Aufgabe als deine Delegierte ist es, dich vor dir selbst zu schützen, aber wie soll das funktionieren, wenn ich das Ausmaß deiner Kräfte nicht kenne?«
»Wie willst du mich vor meiner Fähigkeit beschützen?«, sagte Dante anmaßend.
Light öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Ich … ich sollte so etwas wissen.«
»Jetzt weiß du es.«
»Zwei Tage zu spät. Du hättest es mir früher sagen müssen.« Light versuchte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen und wechselte das Thema. »Und überhaupt, wieso bist du zu allen so nett? Als dich Mrs Meyer darum gebeten hat, dich vorzustellen, hast du das in einer freundlichen und antidämonischen Haltung getan, die ich dir überhaupt nicht zugetraut hätte.«
Dante schob sich in der Reihe weiter nach vorne. Endlich erreichten
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