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Lila Black 02 - Unter Strom

Lila Black 02 - Unter Strom

Titel: Lila Black 02 - Unter Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justina Robson
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an. Sie hielt den Kopf mit dem massiven Schnabel noch immer abgewandt, schaffte es aber dennoch, den Tee mit einer leichten Verbeugung darzureichen. Ihre Stimme war sanft und warm: »Du bist in Kampfmontur gekommen, gehüllt in das Blut deiner Feinde. Das ist eine große Ehre, die ich nicht vergessen werde.«
    Lila hörte auf, sie zu fotografieren, und konzentrierte sich auf die Teetasse. Als Lila sie nahm, klapperte sie auf der Untertasse, und sie musste auf die Robotik zurückgreifen, um sich zu beruhigen. Dabei versuchte sie vergeblich, sich einzureden, die Anwesenheit der Dämonin würde sie nicht in Angst versetzen. »Danke sehr.«
    Sie schaute zu, wie Madame dem Kobold ebenfalls einen Tee reichte, aber als sie erkannte, dass er die Tasse – immerhin halb so groß wie er – kaum halten konnte, ohne dass es ihn vornüber zu Boden ziehen würde, stellte sie diese vor ihm auf dem Kissen ab. Obwohl sie nur einen Schnabel hatte, hätte Lila schwören können, dass Madame lächelte, als der Kobold sich sofort auf eines der Zuckerstückchen stürzte, es mit beiden Händen packte und anfing, daran zu knabbern.
    Madame kehrte zu ihrem speziellen Sitzplatz zurück, einem bestickten Hocker, und nahm ihre eigene Tasse auf. »Ich weiß, dass du keinen Zucker nimmst«, fuhr Madame fort. »Und normalerweise nehme ich auch keinen …« Sie warf zwei Stücke in ihre Tasse und rührte vorsichtig um. »Aber ich finde, dass ein wenig Zucker nach schwierigen Momenten oder in neuen Situationen nicht schadet.«
    Lila schaute zur Tür des Raums, wo die beiden stinkenden Raben immer noch standen, dann zum offenen Balkon, auf dem sie Madame zum ersten Mal aus der Ferne gesehen hatte. Sie machte weitere Aufzeichnungen im Versuch, damit ihre Gedanken zu kontrollieren. Trotzdem rangen eine Menge Sorgen um ihre Aufmerksamkeit. Doch sie wurden stets vom Gedanken an Madames Macht erstickt.
    Neben ihr nagte der Kobold wie wild und verteilte dabei Zucker in alle Richtungen. Lila warf erst einen, dann den zweiten Würfel in ihren Tee. Sie probierte – er war köstlich und genau das, was sie brauchte. Dann erinnerte sie sich daran, dass sie die Nahrung in der Unterwelt nicht essen sollte, und schaute schuldbewusst auf Madame.
    »Noch bist du nicht dort«, sagte Madame mit voller, anzüglicher Stimme – dieser warme Tonfall einer erwachsenen Frau konnte nicht aus dem Schnabel oder der Kehle eines Vogels erklingen. »Nur in der Vorhalle. Du musst nicht gehen, wenn du nicht willst.« Sie klang ein wenig herausfordernd, denn, so nahm Lila an, sie wusste wirklich ganz genau, was in Lilas Kopf vor sich ging.
    »Können wir direkt zu dem Teil kommen, in dem Sie meine Fragen beantworten, bevor ich sie stelle?«
    »Natürlich«, sagte Madame. »Obwohl ich etwas Smalltalk vor dem Geschäftlichen vorziehe. Weißt du, obwohl alles, was ich wissen möchte, offen vor mir liegt, interessiert es mich doch mehr zu erfahren, was du über deine Situation denkst, und auch über meine und über die Welt im Allgemeinen. Und das wird nur durch deine Entscheidungen offenbart, durch das, was du sagen und was du verschweigen willst. Verstehst du, was ich meine?«
    »Aber können Sie das nicht ebenfalls sehen?«
    »Wahrnehmung ist ein kreativer Akt«, sagte Madame und schüttete etwas von ihrem Tee in eine große, flache Schale, die Lila für einen leeren Kuchenteller gehalten hatte. »Und Kreativität entsteht im Augenblick. Mein Talent erlaubt mir nur zu erkennen, was ist, und etwas davon, was war. Aber die Wahrheit dessen, was ist … unterscheidet sich für jeden Betrachter. Ich komme nah an die zugrunde liegende Realität heran, aber sogar mein Blick wird von dem gefärbt und gelenkt, was ich bin – ein unperfektes Wesen in einem perfekten Universum.«
    Die Dämonin beugte sich vor und legte ihren Schnabel seitlich in die Schale und warf den Kopf zurück, um zu trinken. Sie wischte sich den Schnabel an einer Stoffserviette mit Spitze sauber, legte die Hände in den Schoß, drehte den Kopf zur Seite und lauschte.
    Lila war nicht ganz sicher, glaubte aber einen freudigen Stich von Tath zu spüren, irgendwo in der Nähe ihres Solarplexus, und vertraute darauf, dass er ihr in einem ruhigeren Moment alles erklären würde. Sie ließ ihre Gedanken wandern, da es wenig Sinn zu ergeben schien, sie zu verbergen. »Sind Sie verheiratet, Madame?«
    »Nein.« Madame folgte Lilas Blick auf die Rabendämonen. »Oh, nein. Solche Verbindungen liegen nicht in meinem Interesse,

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