Lilien im Sommerwind
dagegen. Die Fetzen lagen wie Schnee auf dem Fußboden. Außerdem war es dem Hund gelungen, eine Rolle Band aufzutreiben und sich das meiste davon um seinen rundlichen Bauch zu wickeln.
»Oh, um Gottes willen!«
»Reg dich nicht auf. Das Ganze kann doch kaum mehr als fünf Dollar wert sein. Ich bezahle das schon. Da ist ja mein Baby!«
Der Welpe bellte fröhlich, stolperte über ein Stück Band und warf sich Faith anbetend vor die Füße. »Ich schwöre dir, ich hätte nie geglaubt, dass mich ein kleiner Hund so zum Lachen bringen könnte. Und jetzt sieh sich mal einer Mamas kleinen Schatz an, verschnürt wie ein Weihnachtsgeschenk.«
Sie hob den Hund hoch und gab gurrende Laute von sich.
»Du führst dich auf wie eine Idiotin.«
»Ich weiß. Aber ist sie nicht süß? Sie liebt mich über alles. Mama räumt das jetzt auf, bevor die gemeine Frau weiter mit dir schimpft, mein Schätzchen.«
Tory, die bereits am Boden kniete, blickte auf. »Wenn du diesen Vandalen noch einmal mitbringst, beiße ich dich höchstpersönlich in den Knöchel.«
»Ich habe ihr schon >sitz< beigebracht. Sie ist so klug. Sieh mal!« Faith stellte den Hund zu Boden und legte ihm eine Hand auf das Hinterteil. »Sitz! Sei ein gutes Mädchen. Sitz für Mama.«
Der Welpe sprang auf Tory zu, leckte ihr über das Gesicht und jagte dann seinem eigenen Schwanz nach.
»Sehr klug.«
»Ist sie nicht hinreißend?«
»Geradezu anbetungswürdig. Aber sie gehört nicht hier hinein.« Tory sammelte den Rest Papier ein und stand auf. »Geh mit ihr spazieren.«
»Wir wollten eigentlich ein paar hübsche Schüsseln für ihr Fresschen und ihr Wasser kaufen.«
»Nicht meine Schüsseln. Du willst doch nicht etwa von Künstlern handgefertigte Töpferwaren für einen Welpen kaufen?!«
»Was kümmert es dich, wozu ich sie benutze, solange ich sie bezahle?« Entschlossen nahm Faith den Hund auf den Arm und suchte sich zwei zueinander passende königsblaue Schüsseln mit kühnen grünen Schnörkeln aus. »Die gefallen uns. Nicht wahr, mein Liebling?«
»Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe.«
»Ein Verkauf ist ein Verkauf, oder?« Faith trat zur Theke und stellte die Schüsseln ab. »Mach die Rechnung fertig und vergiss nicht, die Kosten für das Geschenkpapier dazuzuschreiben.«
»Vergiss das Papier.« Tory warf die Fetzen in den Papierkorb und gab den Betrag in die Kasse ein. »Dreiundfünfzig Dollar und sechsundzwanzig Cents. Für Hundenäpfe.«
»Gut. Ich bezahle bar. Hier, halt sie mal eine Minute.«
Faith drückte Tory den Welpen in die Arme, damit sie ihr Portemonnaie hervorholen konnte.
Wider Willen bezaubert, knuddelte Tory das Hündchen. »Du wirst speisen wie eine Königin, was? Wie eine richtige Bienenkönigin.«
»Bienenkönigin. Hey, das ist perfekt!« Faith legte das Geld auf die Theke und nahm den Welpen wieder. »Genau das bist du. Eine Bienenkönigin. Ich werde dir auch ein funkelndes Halsband kaufen.«
Kopfschüttelnd gab Tory ihr das Wechselgeld. »Ich lerne ja eine ganz neue Seite an dir kennen, Faith.«
»Mir geht es nicht anders, aber irgendwie gefällt sie mir. Komm, Biene, wir müssen noch Besorgungen machen und Leute treffen.« Sie ergriff die Einkaufstasche. »Ich glaube, so kann ich die Tür nicht aufmachen.«
»Ich helfe dir.« Tory öffnete die Tür und berührte dabei nach kurzem Zögern Faiths Arm. »Danke, Faith.«
»Keine Ursache. Ach ja - du könntest übrigens dein Make-up ein bisschen auffrischen«, fügte sie hinzu. Dann ging sie.
Faith hatte nicht vor, sich mit Tory anzufreunden. Es war zwar faszinierend, über das Privatleben anderer Leute zu spekulieren oder darüber zu klatschen, aber alles nur aus sicherer Distanz.
Trotzdem hatte sie die ganze Zeit vor Augen, wie Tory zusammengekauert hinter der Theke gehockt hatte.
Und sie musste an die hässlichen blauen Flecken an Torys Hals denken.
Hope hatte auch überall Flecken gehabt. Faith hatte sie nicht gesehen, weil das niemand zugelassen hatte, aber sie hatte es gewusst.
Sie hatte etwas gegen Männer, die Frauen Gewalt antaten. Wenn es Verwandte waren, lief man natürlich nicht zur Polizei. Aber schließlich gab es ja auch noch andere Wege.
Sie drückte Biene einen Kuss auf den Kopf und ging geradewegs zur Bank, um J. R. zu erzählen, was seiner Nichte zugestoßen war.
Er verl or keine Zeit. J. R. sagte seinen nächsten Termin ab, erklärte seinem Vertreter, er habe eine Privatangelegenheit zu regeln und lief so eilig zu Torys
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