Lilien im Sommerwind
ganzer Mensch sein. Ich würde alles geben, um diese leere Stelle in mir loszuwerden. Ich kann nicht zulassen, dass er mich fertig macht.«
Tory blickte über den Sumpf, der jetzt, da der Sommer vor der Tür stand, immer dichter und grüner wurde. Dort brüteten Moskitos im dunklen Wasser, durch das lautlos Alligatoren glitten. Man musste mit Schlangen rechnen und lief immer Gefahr, im Morast zu versinken.
Aber es gab dort auch Glühwürmchen und Wildblumen.
Keine Schönheit war ohne Gefahr. Und auch das Leben nicht.
»Als Kind habe ich voller Angst in diesem Haus gelebt. Aber ich gewöhnte mich daran, wie man sich an bestimmte Gerüche gewöhnt. Als ich zurückkam, habe ich es zu meinem Haus gemacht und alle Erinnerungen wie Staub aus einem Teppich fortgeschüttelt. Ich habe den Geruch vertrieben, Cade. Und jetzt versucht er, die Angst zurückzubringen. Das kann ich nicht zulassen. Und ich werde es nicht zulassen«, fügte sie hinzu. »Ich bleibe hier. Ich säubere dieses Haus von ihm und bleibe. Ich hoffe, er weiß es.«
»Ich wünschte, ich würde dich nicht dafür bewundern.« Cade fuhr ihr mit der Hand über die Haare. »Ich wünschte, ich könnte dich dazu drängen, das zu tun, was ich will.«
Tory streichelte ihm über die Wange. »Drängen ist nicht deine Art. Du manipulierst.«
»Nun, es spricht für die Zukunft unserer Beziehung, dass du das erkannt hast und offenbar damit leben kannst.« Er zog sie an sich und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel. »Du bist mir wichtig. Du brauchst nicht so zusammenzuzucken. Du bist mir wichtiger, als ich es mir je vorgestellt habe.«
Als sie schwieg, ließ er sich von seiner Frustration leiten. Manchmal war das am aufrichtigsten. »Gib mir etwas zurück, verdammt noch mal.« Er küsste sie leidenschaftlich.
Sie spürte die Forderung, die Wut, die er so gut verbarg, und dieses reine, ungefilterte Gefühl berührte etwas in ihr.
Nein, sie wollte nicht geliebt oder gebraucht werden, sie wollte nicht, dass diese Gefühle in ihr wieder zum Leben erweckt würden. Aber Cade war hier, und allein das reichte aus.
»Ich habe dir schon mehr gegeben, als ich wollte. Ich weiß nicht, wie viel noch da ist.« Sie schmiegte sich an ihn. »In mir geschieht so viel, dass ich kaum Schritt halten kann. Und alles hat mit dir zu tun. Ist das nicht genug?«
»Doch.« Er küsste sie sanft. »Doch, für den Moment ist es genug.« Er streichelte ihr über die Wangen. »Du hattest einen schlimmen Tag, nicht wahr?«
»Es war nicht gerade mein bester.«
»Dann lass ihn uns wenigstens richtig zu Ende bringen. Fangen wir an.«
»Womit?«
Er öffnete die Tür zur Küche. »Du wolltest ihn doch hinausfegen. Dann lass uns das tun.«
Sie arbeiteten zwei Stunden lang. Cade drehte Musik an. Sie hätte nicht daran gedacht und sich wahrscheinlich nur auf die Details konzentriert. Aber die Musik lenkte sie so gut ab, dass sie vergaß zu grübeln.
Am liebsten hätte Tory die Kleider verbrannt, die ihr Vater berührt hatte, aber eine solche Schwäche konnte sie sich nicht leisten. Also wusch sie sie, faltete sie und legte sie wieder weg.
Die beschädigte Matratze drehten sie um. Tory würde sich eine neue kaufen müssen, doch vorläufig ging es erst einmal so.
Beiläufig erzählte Cade die ganze Zeit über von seiner Arbeit. Auch das lenkte sie ab. Dann räumten sie die Küche auf, aßen Sandwiches und sie erzählte ihm, dass sie darüber nachdachte, eine Aushilfe einzustellen.
»Das ist eine gute Idee.« Er holte sich ein Bier und freute sich, dass sie welches für ihn gekauft hatte. »Du wirst den Laden viel mehr genießen können, wenn er nicht deine ganze Zeit beansprucht. Sherry Bellows - das ist doch die neue High-School-Lehrerin, oder? Ich habe sie und ihren Hund vor ein paar Wochen im Supermarkt getroffen. Sie kam mir äußerst energiegeladen vor.«
»Den Eindruck hatte ich auch.«
»Und sehr attraktiv.« Als Tory die Augenbrauen hochzog, trank er grinsend einen Schluck Bier. »Ich denke dabei nur an dich, Liebling. Eine attraktive Verkäuferin ist ein Gewinn fürs Geschäft. Glaubst du, sie würde im Laden auch so knappe Shorts tragen?«
»Nein«, erwiderte Tory bestimmt. »Das glaube ich nicht.«
»Wenn du ihr das gestattest, könntest du damit viele männliche Kunden anziehen. Sie hat sehr hübsche Beine.«
»Schöne Beine. Hmm. Na, ich will mal sehen, wie ihre Zeugnisse sind. Wahrscheinlich gut.« Tory warf den letzten Müll in den Abfalleimer. »Mehr können wir wohl
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