Lilienzucht (German Edition)
tut mir wirklich Leid, dass ich Ihnen das nicht ersparen kann“, seufzt Victor bedauernd, „aber ich kenne den Chief Inspector gut, er wird Ihre Aussage so diskret wie möglich behandeln.“
„Das wäre mir allerdings mehr als recht.“, gibt Josie ein wenig verlegen zurück.
„Oh, da fällt mir ein, Sie sollten Ihren Bruder noch anrufen, bevor wir losfahren. Ich habe ihn zwar schon gesprochen, aber ich denke, es wird ihn bestimmt weit mehr beruhigen, wenn er mit Ihnen persönlich spricht.“
Josie schließt seufzend die Augen und hält sich mit einer Hand die Stirn. „Himmel, natürlich!“, stöhnt sie leise. „Darauf hätte ich auch schon kommen können. Justin hat bestimmt heute Morgen versucht, mich auf Fountainhead Manor zu erreichen.“
„Ja, allerdings“, bestätigt Lord Croydon schmunzelnd, „und er war ziemlich in Sorge, bis ich ihn angerufen habe. – Der Gute hat wirklich einen Schwesterkomplex.“
„Ja, das stimmt.“ Josie lacht leise. „Das liegt vermutlich einfach daran, dass er zehn Jahre älter ist und wir nach dem Tod meiner Mutter ziemlich viel Zeit zu zweit verbracht haben. Er musste halt immer den Babysitter spielen.“
„Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass es ihm lästig gewesen ist.“, merkt Victor schmunzelnd an. „Bis heute nicht.“
„Möglich.“, meint Josie verlegen.
Mary ist wieder zurück und serviert den Espresso.
„Ich habe ihm übrigens nur das Allernotwendigste berichtet, so bleibt es Ihnen selbst überlassen, wie viel sie ihm erzählen.“, sagt der Earl ernst, bevor er die Tasse zum Mund führt und lächelnd hinzufügt: „Als kleinen Ausgleich für den Pflichtbesuch beim Yard, werden wir danach übrigens eine kleine Shoppingtour durch London machen. Einverstanden?“
„Shoppingtour?“, fragt Josie verblüfft nach. „Aber... Heute ist Sonntag, ... da haben die meisten Geschäfte in London geschlossen.“
„Oh, ich dachte auch eher an etwas Intimeres, Privateres.“, erwidert der Earl mit einem kryptischen Lächeln.
Josie schaut ihn mit großen Augen dermaßen verständnislos an, dass er leise auflacht.
„Lassen Sie sich überraschen!“, meint er nur.
7 Investigative Fragen
„Kommen Sie!“, fordert Lord Croydon lächelnd. „Hier geht’s lang.“ Unbeirrbar findet er den Weg durch das Labyrinth der Korridore im Gebäude des New Scotland Yard, dessen Flure heute kaum bevölkert sind; er scheint sich hier jedenfalls bestens auszukennen.
Josie an seiner Seite hingegen hat längst jede Orientierung verloren, die Gänge in dem Stockwerk, in dem sie sich mittlerweile befinden, sehen für sie alle gleich aus, zumal sie kaum noch jemandem begegnen.
Resignierend stöhnt sie auf. „Um Himmels Willen!“, entfährt es ihr. „Wie finden Sie sich hier zurecht?! Ich würde hier allein nie wieder raus finden, geschweige denn, dass ich zu einem bestimmten Büro finden würde.“
„Na, wie gut, dass ich dabei bin!“, findet Victor grinsend und fügt ein wenig ernsthafter hinzu: „Keine Sorge, ich lasse Sie nicht allein.“
Josie atmet deutlicher auf als beabsichtigt, doch sie hat keine Zeit mehr für verlegenes Erröten, denn der Earl steuert zielstrebig auf eine der Türen zu, an der er dann energisch klopft.
„Herein!“, hört man gedämpft von drinnen.
Lord Croydon wirft Josie ein aufmunterndes Lächeln zu, dann drückt er die Klinke hinunter.
Anderthalb Stunden später betritt Josie zum zweiten Mal das Büro von Detective Chief Inspector Thomas O’Connell, diesmal in Begleitung einer freundlichen Polizeibeamtin, die ihrem Kollegen kurz zunickt und sich, nachdem sie sich höflich von Josie verabschiedet hat, schnell und diskret wieder aus dem Zimmer entfernt. Josie atmet unwillkürlich ein wenig auf.
„Tut mir wirklich Leid, Ihnen diese Umstände zu machen.“, entschuldigt sich der Chief Inspector. „Aber ohne die Aufnahmen von Ihren Verletzungen wäre die Aussage kaum vollständig.“
„Oh, keine Ursache“, meint Josie ein wenig verlegen, „Sie machen ja nur Ihre Arbeit. Im Übrigen hatte ich ohnehin damit gerechnet, dass jemand vom Yard sich die Bescherung wird ansehen müssen. – Es war auch ja nur halb so schlimm; Inspector Murray hat es mir ziemlich leicht gemacht, sie war sehr einfühlsam.“
„Das freut mich.“, sagt der Chief Inspector erleichtert. „Dann fehlt uns nur noch Ihre Unterschrift. Bitte lesen Sie sich alles noch einmal genau durch und dann unterschreiben Sie auf der letzten
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