Lilienzucht (German Edition)
Flur zu vernehmen und kurz darauf klopft es vernehmlich an der Tür.
„Herein!“, sagt Victor.
„Guten Morgen, Mylord.“, grüßt Mary knicksend, während sie das Büro des Earls betritt.
„Ihnen auch einen guten Morgen.“, entgegnet Victor. „Lassen Sie uns gleich auf den Punkt kommen, Sie haben sicher viel zu tun. – Wie ist Ihr persönlicher Eindruck von Lady Josephine?“
Einen Moment lang schaut das Hausmädchen ihn nur verblüfft an, dann fragt sie: „Sie meinen, neben dem, was ich Ihnen bereits gesagt habe?“
„M-hm.“ Victor nickt und schaut sie unerwartet neugierig an.
„Nun, sie ist vor allem durch und durch eine Lady.“, beginnt Mary zögernd. „Allerdings auf eine weit herzlichere, freundlichere Art, als man das normalerweise erwartet. Sie ist ziemlich pragmatisch; wenn sie eine Situation nicht ändern kann, nimmt sie sie einfach hin und versucht, das Beste daraus zu machen, und zwar auf eine verblüffend souveräne Art und Weise, wie ich finde.“ Mary hält einen Moment inne und überlegt, bevor sie fortfährt. „Sie ist vielseitig interessiert und intelligent und mit einem ziemlich regen Geist ausgestattet; ich würde sie fast als ‚lebenshungrig’ bezeichnen, wenn Sie verstehen. – Und sie hat ein ausgesprochen unverkrampftes Verhältnis zu ihrem Körper.
Wie ich schon erwähnt hatte, ist sie hochsensibel und ich glaube inzwischen, nicht nur körperlich. Allerdings ist sie auch keine Mimose, ich denke das liegt daran, dass sie es sich nur höchst ungern anmerken lässt, wenn ihr etwas unangenehm ist.“
„Hältst du sie für ... übertrieben unterwürfig?“, mischt sich Jeffrey ungefragt ein.
Mary schaut ihn ziemlich verdutzt an. „Du meinst im Sinne von ‚kriecherisch’ oder ‚ohne Rückrat’?!“
Jeffrey nickt ernst, während Victor nur kopfschüttelnd die Augen verdreht, sich jedoch weiter nicht äußert.
„Keinesfalls!“, meint Mary nachdrücklich. „Sie ist zwar meist sehr kooperativ, aber sie kann durchaus auch deutlich Grenzen setzen, wenn sie das für notwendig hält. Und ich glaube ganz sicher, dass sie ihren Stolz hat. Der ist nur offenbar etwas anders, als man erwartet.
Wie kommst du darauf?! Das klingt ja fast, als würdest du ihr gar keine eigene Meinung zutrauen und sie für eine totale Langweilerin halten.“ Empört funkelt sie den Butler an, der ihrem Blick jedoch ungerührt standhält.
„Ich wollte lediglich wissen, ob du sie nur süß findest oder ob du sie für interessant genug hältst, Victors Spielgefährtin zu werden.“, antwortet er nüchtern. „Unser werter Earl scheint sich dessen nicht ganz sicher zu sein. – Außerdem will er bei ihr auch nicht den Eindruck erwecken, dass er sie bewusst in eine Falle gelockt hat, um sie zu seiner Lustsklavin zu machen.“
Victor pustet schwer die Luft aus den Lungen ob seiner unverblümten Wortwahl, während sich auf Jeffrey Gesicht langsam ein breites, schiefes Grinsen ausbreitet.
„Obwohl ich mich ja ernsthaft frage, wer hier gerade wem in die Falle geht.“, fügt der Butler mit einem Seitenblick auf seinen Arbeitgeber und Freund amüsiert hinzu.
Für einen kurzen Moment schaut Mary verblüfft zwischen den beiden Männern hin und her.
„Nun ja“, merkt sie dann schmunzelnd an, „im besten Fall wickeln sie sich gerade gegenseitig ein.“ Ihr Blick wird ernster, als sie sich an den Earl wendet. „Sie scheint Sie jedenfalls sehr zu mögen. Sie hätten sie gestern sehen sollen; sie hatte wirklich Angst um Sie ... und sie war mehr als erleichtert, als Jeffrey die Nachricht von Ihrer Rückkehr überbracht hat.
„Stimmt“, bestätigt Jeffrey versonnen, „ihre Erleichterung war definitiv echt, so was kann man nicht spielen...“
„Richtig“, pflichtet Mary energisch bei, „und wenn ich mir noch eine Bemerkung erlauben darf, Mylord...“
Victor nickt nur resignierend.
„Von allen Frauen, die Sie je hergebracht haben, ist Lady Josephine mit Abstand die beste Wahl.“
„Danke, Mary, das ist mehr als deutlich.“, gibt Victor zurück und kann sich ein leises Seufzen nicht verkneifen.
Irgendwie scheint er erleichtert...
10 Lästige Neugier und eine neue Fernbedienung
„Ist es wirklich in Ordnung, wenn ich mit deinem Bruder offen über den Vorfall in Fountainhead Manor spreche?“, fragt Victor skeptisch, als sie am Nachmittag auf dem Weg nach Mountsimmons Hall sind. Victor und Josie haben es sich im Fond des Rolls Royce bequem gemacht und genießen einen aromatisierten
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