Lilith Parker
doch er kam direkt aus ihrem Herzen und zum ersten Mal in dieser schrecklichen Nacht hatte Lilith das Gefühl, das Richtige zu tun. Sie strich über das Bernstein-Amulett, öffnete den Verschluss und hielt Belial das Schmuckstück entgegen.
»Auch wenn es Scrope ist, ich kann nicht mit ansehen, wie er getötet wird, obwohl ich es verhindern kann.«
Belial schwieg einen quälend langen Moment, dann setzte er ein genüssliches Lächeln auf. »Behalt dein Amulett, ich will es nicht.«
Verständnislos blinzelte Lilith ihn an. »Aber warum denn nicht?«
»Tut mir leid, das ist in meinem Plan nicht so vorgesehen.«
So langsam reichte es ihr. »Und was für ein blöder Plan soll das sein?«
»Ich will, dass du am eigenen Leib erfährst, wie es ist, wenn dich alle für ein Monster halten. Bist du nicht wütend, was du wegen mir alles erleben musstest?«
»Natürlich bin ich wütend, unglaublich wütend sogar!« Sie spuckte die Worte regelrecht aus. »Am liebsten würde ich Ihnen das alles tausendfach heimzahlen.«
Ihre Fäuste ballten sich und der Zorn, der in ihr aufkochte, war mit nichts zu vergleichen, was sie je erlebt hatte. Wegen Belial hatte sie die schlimmsten Wochen ihres Lebens hinter sich, sie alle hatten permanent in Angst und Sorge gelebt und Lilith hatte jeden, der ihr etwas bedeutete, verloren â und nun wollte er sogar noch, dass sie von den Nocturi zum Tode verurteilt wurde.
Belial war nicht nur bösartig, er musste vollkommen verrückt sein! Der Erzdämon ging für seine Rache über Leichen und nicht einmal die Aussicht, das Bernstein-Amulett in seinen Besitz zu bekommen, konnte ihn davon abbringen.
Ihr wurde unglaublich heiÃ, als hätte sie hohes Fieber, und dunkle Punkte begannen vor ihren Augen zu tanzen.
»Hör auf, die beiden zu beeinflussen, und lass uns gehen!«, zischte sie.
»Ansonsten machst du was? «
Die Punkte vor Liliths Augen verdichteten sich und dieWelt um sie herum verschwand in einem schwarzen Nebel. Alle Geräusche waren verschwunden, ihr wütendes Keuchen, das Knirschen des Schnees unter ihren FüÃen und das Brechen der Wellen unterhalb der Klippen waren einer absoluten Stille gewichen. Es war genau wie damals, als Strychnin von den Wächtern des Tores fast aufgespieÃt worden war und Lilith ihren Zorn auf Emma kaum mehr im Zaum halten konnte. Wie Feuer brannte die Wut in ihren Adern und setzte in ihrem Inneren etwas Dunkles, ungeheuer Machtvolles frei. Und genau wie damals hörte sie nun eine Stimme in ihrem Kopf, die nicht ihre eigene war. Doch dieses Mal wandelte sie sich in einen vielstimmigen Chor, der ihr eindringlich und beschwörend immer wieder dieselben Worte einflüsterte: Bestrafe ihn! Lass ihn leiden, so wie er dich hat leiden lassen!
Während sich Lilith gegen die einzelne Stimme noch hatte zur Wehr setzen können, so war ihr dies gegen den dämonischen Chor kaum mehr möglich und sie wollte es auch überhaupt nicht. Etwas hatte die Macht über ihre Seele ergriffen und zum ersten Mal in dieser Nacht fühlte sie sich Belial gewachsen. Nur nebenbei registrierte sie, wie sich die Kette mit dem Bernstein-Amulett in ihrer Hand mit jeder Sekunde stärker zu erwärmen begann.
Gebe dich uns hin, koste von unserer Macht und du wirst gegen deinen Widersacher triumphieren!
Sie war kein kleines, hilfloses Mädchen mehr, mit dem er seine gemeinen Spielchen treiben konnte. Nein, sie konnte sich ihm stellen und sie würde es tun. Sie wollte Belial vernichten!
Der Bernstein wurde immer heiÃer und Lilith spürte, wie er sich in ihre Haut brannte. Doch es hielt sie nicht davon ab, ihre andere Hand zu erheben, genau wie es Belial bei Rebekka und Scrope getan hatte. Sie spürte, wie die dunkle Magie aus ihrem Inneren in ihre Fingerspitzen floss, und richtete sie auf Belial.
»Geh weg von mir, du Scheusal!«
Trotz des schwarzen Nebels vor ihren Augen sah sie, dass Belial wie von unsichtbarer Hand nach hinten gerissen wurde, an die Burgmauer schlug und schmerzhaft zu Boden fiel. Zuerst schien ihm der Aufprall die Luft aus den Lungen zu pressen, aber dann ⦠lachte er.
Warum konnte sie ihn hören? Alle anderen Geräusche um sie herum waren verschwunden, alles, was blieb, waren der machtvolle Chor in ihrem Kopf und Belials Gelächter. Konnte sie vielleicht nur noch die Stimmen von Dämonen wahrnehmen?
Belial
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