Lilith Parker
war etwas Dunkles, Trauriges, Schmerzhaftes und Angstvolles, das tief in ihr verborgen lag. Sie stellte ungläubig fest, dass das Parfüm sie an den Tod erinnerte. Aber wie konnte das sein?
Rebekka zuckte mit einem hämischen Grinsen die Schultern. »Ich wollte dir nur behilflich sein.«
»Rebekka?«, rief jemand aus dem Inneren der Boutique. »Beweg deinen Hintern hier rein! Ich bezahle dich nicht fürs Rumquatschen.«
»Ich komme sofort! Ich wünsche Eurer Hoheit noch einen schönen Nachmittag«, verabschiedete sie sich in sarkastischem Ton und ging in den Laden zurück.
»Und dir wünsche ich eine Nierenbeckenentzündung!«, knurrte Lilith.
Sie schüttelte verärgert den Kopf. Wenn sie wenigstens eine Ahnung gehabt hätte, warum Rebekka ihr mit solcher Feindseligkeit begegnete ⦠Schon vom ersten Augenblick an schien Rebekka sie zu ihrer Feindin erklärt zu haben, obwohl Lilith ihr überhaupt nichts getan hatte. Aber vielleicht war sie auch zu jedem so fies? Emmas offenkundige Abneigung gegenüber Rebekka hatte sicherlich ihren Grund.
Als Lilith die Crepusculelane hinter sich gelassen hatte, musste sie für einen Moment anhalten. Warum war ihr nur plötzlich so übel? Hatte sie vielleicht zu viel von den Gespensterplätzchen gegessen, die Mildred ihr für die Schule zugesteckt hatte? Oder war es ihr Ãrger über Rebekka, der dieses unangenehme Ziehen in der Magengegend verursachte? In einem überdachten Hauseingang setzte sie sich auf die Treppe, fuhr sich mit den Handschuhen übers Gesicht und atmete tief durch. Der beiÃende Geruch des Parfüms klebte immer noch an ihr und hinter ihrer Stirn begann es zu pulsieren. Klasse, jetzt bekam sie von diesem schrecklichen Zeug auch noch Kopfschmerzen!
Trotzdem: Sie durfte sich von Rebekka in Zukunft nicht mehr so reizen lassen. Mildred sagte immer, dass negative Gefühle ein schlechtes Karma verursachten und man sich damit am Ende nur selbst schadete. Seltsamerweise schien Mildred ihr eigenes Karma relativ egal zu sein, wenn sie sich mit hochrotem Gesicht und keifender Stimme darüber aufregte, dass Lilith wieder einmal ihre Schultasche achtlos neben die Küchentür geschmissen hatte.
Die eisige Kälte der Steintreppe arbeitete sich durch ihre Kleider und erinnerte Lilith daran, dass es Zeit war, heimzugehen. Als sie aufstand, erfasste sie jedoch ein so jäher Schwindel, dass sie Halt suchend nach dem Geländer griff. Anscheinend wurde sie krank und eine üble Erkältung war im Anmarsch. Eigentlich war es recht enttäuschend, dass man als Nocturi gegen so etwas nicht immun war. Man sollte doch meinen, dass die Geschöpfe der Dunkelheit über eine laufende Schniefnase erhaben waren.
»Wo ist sie nur? Wenn â¦Â«
Ein Schluchzen lieà Lilith aufhorchen. Weinte da jemand? »⦠wenn ich sie nur finden könnte â¦Â«
Es war die Stimme eines Kindes, ganz in ihrer Nähe. Sie sah sich suchend um, konnte aber niemanden entdecken. Lilith atmete noch einmal tief durch, riss sich zusammen und lief dem Weinen entgegen.
Als sie um die Ecke bog, sah sie einen Jungen von etwa fünf oder sechs Jahren, der mit bebenden Schultern auf einen Zettel starrte. In seinen Augen, die die Farbe von Schokolade besaÃen, glitzerten Tränen und seine dunkelbraunen Locken wippten mit jedem Schluchzer auf und ab. Er kam Lilith irgendwie bekannt vor, wahrscheinlich war sie ihm schon einmal in der Devilstreet oder auf der Dorfversammlung begegnet.
Eine junge Frau kam mit gestresster Miene und beladen mit schweren Einkaufstüten aus der Crepusculelane und lief an dem weinenden Jungen vorbei, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Empört starrte Lilith ihr hinterher. Wie konnte man nur so herzlos sein?
Sie trat näher und beugte sich zu ihm hinab. »Was ist denn mit dir los?«
Er sah auf, über seine Pausbäckchen kullerten die Tränen wie kleine WasserstraÃen hinab. »Mein Vater will, dass ich die Crepusculelane finde und dort etwas besorge. Ich war gestern schon hier und habe alles abgesucht«, erzählte er schniefend und zeigte ihr den Zettel, auf dem eine Wegbeschreibung aufgezeichnet war. »Aber dort gibt es nur verfallene Häuser, in denen niemand wohnt.«
Sie wusste, was das bedeutete: Um herauszufinden, ob ein Kind übernatürliche Kräfte besaÃ, gab es schon vor dem dreizehnten Geburtstag einige
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