Lilith - Wunschlos gluecklich
verwunderlich, dass es immer noch zu lesen war.
Luc lotste Lilith in eine andere Richtung als die letzten beiden Male, und sie folgte ihm verdutzt. Vor einem Zimmer ohne Fenster zum Gang blieb Luc stehen. »Jordan hat ein neues Zimmer. Er ist wach und braucht somit keine Akutversorgung mehr. Du kannst klopfen, seine Mutter ist gerade bei ihm.«
»Kommst du mit?«, bat Lilith ihren lieb gewonnenen Begleiter.
»Muss ich?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Dann warte ich, du solltest dich allein um Jordan kümmern. Ohne mich. Keine Angst … Ich warte.«
Lilith nickte und nach einem langen prüfenden Blick in Lucs Gesicht betrat sie nervös Jordans Krankenzimmer.
Jordan sah schon viel besser aus als gestern. Von vorgestern ganz zu schweigen. Fast alle Geräte und Schläuche waren entfernt worden, lediglich ein Monitor war noch für die Überwachung seiner lebenserhaltenden Funktionen zuständig. Lilith war sich nicht wirklich sicher, ob sie dies für gut befinden konnte, aber seine Mutter hatte dagegen wohl keine Einwände gehabt.
»Jordan …«, sie stürmte auf ihn zu, »… wie geht es dir?« Sie schnappte sich seine freie Hand und küsste sie wieder und wieder. Tränen der Erleichterung rannen ihre Wangen entlang, aber es war ihr egal, dass Jordan sie so aufgelöst sah.
»Geht so …«, krächzte er geschwächt, doch er lächelte auch.
»Was ist mit deiner Stimme …? Du hörst dich ja furchtbar an«, gab sie halb weinend, halb lachend von sich.
»Schlauch …«, flüsterte er.
»Er hat erst heute Morgen den Beatmungsschlauch entfernt bekommen. Seine Stimmbänder sind noch gereizt, aber das wird schon. Er sollte seine Stimme allerdings etwas schonen. Also verlang nicht allzu viel von ihm«, sagte seine Mutter.
»Ja, klar. Tut mir leid.«
Während sich Mrs. Walsh in der Cafeteria einen schnellen Kaffee gönnte, blieb Lilith bei Jordan zurück. Sie richtete ihm die Grüße von ihren gemeinsamen Freunden aus und bekundete ihm immer wieder, wie froh sie war, sie alle waren, dass er sich nun auf dem Weg der Besserung befand.
Er war müde, immer noch viel zu geschwächt von seinem Unfall, sodass ihm mitten in ihren Erzählungen die Augen zufielen. Als er nicht mehr auf sie reagierte, geriet Lilith beinahe in Panik, aber sein Monitor piepste immer noch in diesem gleichbleibenden, monotonen Rhythmus vor sich hin. Es ging ihm also nicht schlechter als noch vor einigen Minuten. Lilith hielt weiterhin seine Hand und wusste, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sein Leben wäre jeden Wunsch wert gewesen – selbst den letzten.
Kalte Hände legten sich unerwartet auf ihre Schultern und sie blickte erschrocken auf. Seine Mom war zurück.
»Er ist müde«, flüsterte Lilith ihr zu. Irgendwie hatte sie das Bedürfnis, seiner Mom zu versichern, dass es ihm gut ging.
Mrs. Walsh nickte. »Er muss sich erholen, das braucht seine Zeit«, erwiderte sie leise und zog einen weiteren Stuhl heran, aber Lilith stoppte sie.
»Nicht nötig. Ich geh dann mal wieder. Er schläft ja nun und ich kann nichts für ihn tun.« Lilith stellte fest, dass die Augen seiner Mom immer noch müde und traurig wirkten. Sie hatte sich bestimmt noch nicht von dem Schreck erholt, der ihr vor zwei Tagen beschert worden war. »Ich komme morgen nach der Schule wieder«, meinte Lilith, bevor sie Jordans Mom fest an sich drückte und dann leise zur Tür hinausschlich.
Draußen musste Lilith nicht lange nach ihrer Begleitung suchen. Luc stand lässig an die gegenüberliegende Wand gelehnt und wartete wie versprochen auf sie. Kaum hatte sie ihn erblickt, beschleunigte sich ihr Herzschlag auch schon auf eine beunruhigende Geschwindigkeit. Bis jetzt war es ihr nicht aufgefallen, weil sie gedacht hatte, ihre innere Unruhe läge allein an Jordans Zustand. Aber dieser Sachverhalt schied nun wohl aus. Jetzt wurde ihr bewusst, dass der einzige Grund, warum sie sich in der vergangenen halben Stunde so zerrissen, aufgewühlt, unruhig und fahrig gefühlt hatte, genau vor ihr stand. Luc war nicht bei ihr gewesen, und nun, da sie ihn wieder sah, waren all die schmerzenden Emotionen wie weggeblasen. Es ging ihr wieder gut.
Erleichtert atmete sie tief durch und schloss kurz die Augen. Doch das war ein Fehler. Sie schwankte unerwartet. Jordan … Luc … Die Sorgen um den einen, Verlustängste wegen des anderen. Es war wohl doch etwas zu viel Aufregung gewesen, die in den paar Tagen auf sie eingeprasselt war.
»Geht es dir nicht gut?« Luc griff
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