Liliths Kinder
hatte sich bemüht, sich die Aufregung über ihre Entdeckung nicht anmerken zu lassen, und war weiter ihres Weges gegangen, als wäre nichts geschehen. In der Nacht erst wollte sie zurückkehren, um die Öffnung im Boden näher in Augenschein zu nehmen und zu ergründen, was sich darunter verbarg.
Und hier war sie nun.
Die Stelle wiederzufinden bereitete ihr keine Schwierigkeiten. Noch einmal sah sich gewissenhaft nach allen Seiten um, fühlte sich unbeobachtet, und dann legte sie das Loch in der Erde frei.
Es war groß genug, daß ein Mensch halbwegs bequem hineinsteigen konnte. Die Verlängerung führte schräg ins Erdreich hinein, wie eine Rampe, und wenn man sich am Rand des Loches niederließ und sich etwas Schwung gab, mußte man problemlos hinabrutschen können.
Schon ließ Pomona ihre Beine in die Öffnung gleiten. Mit beiden Händen stieß sie sich dann von der Kante der Öffnung ab, und langsam rutschte sie tiefer. Das Rund des Loches blieb über ihr zurück. Dunkelheit schloß sich um sie, als würde sie von einem riesigen Maul verschluckt.
Mit jedem Meter, den sie tiefer hinabglitt, gewann sie an Geschwindigkeit. Die Schräge wurde immer steiler, und schließlich stürzte die Vampirin regelrecht hinunter!
Im Versuch, die rasende Fahrt mit Händen und Füßen abzubremsen, prallte sie hart rechts und links gegen die Wände des Erdschlundes und verlor vollends die Kontrolle.
Dann - freier Fall.
Ein harter Schlag, der ihr die Beine in den Bauch treiben wollte.
Ein Sturz - - und vorbei.
Zwischen ihren Lippen schmeckte Pomona krümelige Erde, ihre Finger gruben sich in feuchten, weichen Boden, und so stemmte sie sich in die Höhe.
Ihr vampirischer Blick nützte ihr wenig hier unten. Nicht der geringste Funke Licht, den sie hätte verwerten können, drang zu ihr, und so stand sie in völliger Dunkelheit - und verfluchte sich für ihren Leichtsinn.
Blind streckte sie die Arme nach beiden Seiten aus, tastete um sich, während sie mit kleinen Schritten in irgendeine Richtung tappte. Nach einer Weile trafen ihre Hände auf Widerstand, eine Wand aus Erde und rauhem Fels, wie sie feststellte. Daran bewegte sie sich entlang.
Offenbar befand sie sich in einer kleinen Höhle.
Als ihre Hände ins Leere griffen, tastete sie sich dorthin weiter -ein Gang, der aus dieser Höhle führte. Ihm folgte Pomona, so leise wie nur möglich. Dabei lauschte sie auf etwaige Geräusche, hörte je-doch nicht das geringste.
Dann plötzlich - Licht!
Ein blasser Schimmer nur, für einen Menschen vielleicht nicht einmal wahrnehmbar, aber die Augen der Vampirin vermochten ihn zu erfassen. Er glomm weit vor ihr in dem Tunnel, der, wie sie nun erkannte, gerade hoch genug war, daß sie aufrecht stehen konnte.
Pomona schritt weiter aus, dem vagen Licht zu. Woher es rührte, konnte sie nicht sagen, denn - es schien sich stetig von ihr zu entfernen! Mit jedem Schritt, den sie in seine Richtung tat, rückte es um die gleiche Distanz zurück!
Die Vampirin ging schneller, und tatsächlich gelang es ihr, die Entfernung um einen Deut zu verringern. Dann aber schien das Licht vor ihr einen regelrechten Sprung zu vollführen, und schon war es wieder weiter von Pomona abgerückt.
Sie lief noch schneller, verfiel in einen leichten Trab, rannte schließlich dem Licht entgegen - und endlich kam sie ihm nahe genug, um zu erkennen, was es war.
Eine Flamme, klein und schwach flackernd an einem Kerzendocht fressend. Und diese Kerze - - hielt ein Mensch in der Hand!
Wirklich ein Mensch?
Pomonas Gedanken sträubten sich, die Gestalt dort so zu nennen. Denn sie sah entsetzlich aus!
Die Haut des Mannes wirkte wie abgeschmirgelt oder verbrannt. Schorfige Wunden hatten ein wirres Muster darauf gebildet, und die Augen -
Er sieht mich nicht! durchfuhr es Pomona. Er kann mich nicht sehen!
Denn seine Augen existierten kaum mehr. Dunkel verkrustete Löcher waren sie, als wären sie ihm buchstäblich ausgebrannt worden Wie nebenher erkannte die Vampirin, daß sich der Gang hinter dem Mann zu einer weiteren Höhle öffnete. Was sich darin befand, vermochte sie noch nicht zu sehen -
- und sie sah es nie!
Zu sehr hatte sie sich von dem Anblick des Fremden gefangennehmen lassen. Zu wenig hatte sie auf ihre unmittelbare Umgebung geachtet.
Und so kam es, daß sie plötzlich meinte, der Boden würde ihr unter den Füßen weggezogen!
Pomona stürzte in die Tiefe. Hinab in eine Grube, die sich über die ganze Breite des Stollens zog. An die vier Meter
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